Berlin. Er ist ein Mann der leisen Töne, der lieber auf Ausgleich als auf Konfrontation setzt. Auf Listenplatz eins will Bisky die Linke in den anstehenden Europawahlkampf führen. Dass die 500 Delegierten des Europaparteitags in Essen am Sonntag dafür votieren, gilt als Formsache.
Leise Töne statt Konfrontation: Lothar Biskys Analysen treffen meist punktgenau. So erwarb er sich nicht nur innerhalb der Linken hohes Ansehen, sondern auch den Respekt bei politischen Gegnern. Bis 2010 will der 67-Jährige zusammen mit seinem Co-Vorsitzenden Oskar Lafontaine die Linken führen. Noch einmal will er dann nicht kandidieren. Doch zunächst einmal geht es ihm darum, seine Partei erfolgreich in Europa zu verankern.
Auf Listenplatz eins will Bisky die Linke in den anstehenden Europawahlkampf führen. Dass die 500 Delegierten des Europaparteitags in Essen am 1. März dafür votieren, gilt als Formsache. Vorsitzender der Europäischen Linken ist er seit 2007.
Bisky ist souverän und pragmatisch, Emotionen oder Gefühlsausbrüche sind seine Sache nicht. Der studierte Kulturwissenschaftler setzt auf Diskussion statt Rechthaberei. Nach Erfolgen bei Landtagswahlen wie in Bremen ist ein Lächeln das höchste der öffentlichen Gefühle.
Und auch Niederlagen steckt er scheinbar gelassen weg. 2005 ließen ihn die Parlamentarier bei der Wahl der stellvertretenden Bundestagspräsidenten durchfallen. Eine Rolle spielten dabei auch wieder Stasi-Verdächtigungen, die er stets zurückgewiesen hat. Seine Niederlage erklärte er auch mit dem «Makel des Ostens», der ein Leben lang haftenbleibe.
«Geld arbeitet nicht»
Die Finanzkrise kommt für Bisky zur rechten Zeit, bietet sie doch die Chance, die Linken noch stärker von den etablierten Parteien abzugrenzen. Auf seiner Internetseite verbreitet Bisky geradezu genüsslich seine Ansicht: «Die Stunde ist gekommen, dass selbst Banker wieder an Weisheiten glauben, die auf der Straße liegen: Geld arbeitet nicht.»
Erst vor zwei Monaten musste Bisky, der verheiratet ist, einen schweren Schicksalsschlag verdauen. Mit nur 23 Jahren starb sein jüngster Sohn in Edinburgh. «Stephan wollte so gern mit uns Weihnachten feiern. Ich habe am Flughafen Leipzig auf ihn gewartet, aber er kam nicht an», sagte Bisky. Er erstattete Vermisstenanzeige, kurz darauf wurde der Leichnam des Sohnes entdeckt. Der älteste Sohn Jens ist Journalist, Norbert ein renommierter Maler.
Bisky machte nie einen Hehl daraus, dass er sich ein Leben auch ohne Politik gut vorstellen kann. Dennoch nahm er sich immer wieder selbst in die Pflicht, wenn es um seine große Vision geht: die Linke dauerhaft als bundesweit agierende politische Kraft zu etablieren. Erst galt es, den Zusammenschluss seiner Linkspartei.PDS mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) vorzubereiten. Nach der förmlichen Parteineugründung am 16. Juni 2007 ging es um die praktische Umsetzung.
Für Kontinuität sorgen
Biskys Aufgabe war es, für Kontinuität zu sorgen und dafür, dass weder die frühere PDS noch der Osten als solcher im Zuge der Westausdehnung untergebuttert werden. Zudem war er das Gegengewicht zu Lafontaine, dessen selbst- und machtbewusster Führungsstil manche bei den Linken ärgert.
Am 17. August 1941 im pommerschen Zollbrück geboren, wuchs Bisky in Schleswig-Holstein auf und ging als 18-Jähriger in die DDR. Dort studierte er Philosophie und Kulturwissenschaft und lehrte schließlich an der Filmhochschule «Konrad Wolf», deren Rektor er bis 1990 war. Zur Politik kam er im Wendeherbst 1989. 1990 saß er für die PDS in der ersten frei gewählten Volkskammer, dann jahrelang im brandenburgischen Landtag. 1993 bis 2000 war er zum ersten Mal Vorsitzender der PDS.
2003 ließ er sich auf Drängen der Genossen noch einmal zum Vorsitzenden wählen, als die PDS sich in Flügelkämpfen aufzureiben drohte. Danach hätte es eigentlich gereicht. «Aber: Man schmeißt nicht hin», sagte Bisky und trat im April 2006 ein weiteres Mal an. Nach der Fusion folgte die Wiederwahl bis 2010. (ap)