Hagen. .
Spanien trauert um die mindestens 80 Toten, die die Eisenbahn-Katastrophe von Santiago de Compostela gefordert hat. Der mit mehr als 250 Menschen besetzte Hochgeschwindigkeitszug Madrid-Ferrol war am Mittwochabend kurz vor dem galizischen Wallfahrtsort offenbar mit Tempo 190 aus einer engen Kurve geschleudert worden. Der Triebwagenzug hätte hier nur mit 80 Stundenkilometern fahren dürfen.
Überwachungskameras haben die Katastrophe aufgenommen. Das Video zeigt in dramatischen Bildern, wie der Mittelteil des Triebzugs sich viel zu schnell in die Kurve legt, aus den Schienen gerissen wird und die Waggons an der Streckenbegrenzung zerschellen. Der eingeklemmte Lokführer wurde leicht verletzt. Er rief über Funk den Bahnhof Santiago: „Wir sind nur Menschen! Ich hoffe, es gibt keine Toten. Ich hätte sie auf dem Gewissen.“
Das Video, die Funkaufzeichnung und die Black Box des modernen Schnellzuges werden derzeit ausgewertet. Die Ursache des Unglücks gibt viele Rätsel auf. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke, die erst 2011 in Betrieb gegangen ist, weist modernste Zugsicherungstechnik des Typs ECTS 2 auf, auf die derzeit fast alle Bahnen in Europa umrüsten und die bei überhöhter Geschwindigkeit automatisch bremst. Selbst im modernen deutschen Netz ist sie bisher nur auf der Strecke Berlin-Leipzig eingebaut ist, weil die Bahn AG aus Kostengründen lange gezögert hatte, das eigentlich bewährte System Indusi durch ECTS zu ersetzen. Warum die Technik in Spanien nicht funktionierte, ist unklar.
Die bisher schwerste Katastrophe mit einem Hochgeschwindigkeitszug forderte vor 15 Jahren bei Eschede 101 Todesopfer, als der Radreifen eines ICE brach. Erst kürzlich hatte sich Bahnchef Grube bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt. Eine völlig veraltete Zugsicherung war im Januar 2011 die Ursache für eine Kollision bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt. Elf Menschen starben. Die Bahn modernisierte danach im Eiltempo rund 350 Kilometer Strecke, die noch mit alten DDR-Signalen ausgestattet waren.