Bagdad. . Extremisten attackieren mehrere Gefängnisse im Irak. Hunderte Gefangene können fliehen.
Der Irak versinkt zusehends in einem Strudel aus Chaos und Gewalt. Weit über 600 Menschen sind seit Beginn dieses Monats bei Anschlägen gestorben.
Wenn es noch eines Beweise bedurft hätte, wie sehr der Regierung von Ministerpräsident Maliki die Kontrolle entglitten ist, hat ihn El Kaida in der Nacht zu Montag geliefert: Bei generalstabsmäßig geplanten Attacken auf zwei Hochsicherheitsgefängnisse bei Bagdad haben Kämpfer des Terrornetzwerkes Hunderte inhaftierte Gesinnungsgenossen befreit.
Die Angreifer griffen neben dem Gefängnis von Tadschi im Norden Bagdads auch die berüchtigte Haftanstalt Abu Ghraib im Westen der Hauptstadt an, eine Hochsicherheitseinrichtung, in der viele zum Tode verurteilte Terroristen einsitzen. Abu Ghraib ist jenes Gefängnis, in dem US-Soldaten seinerzeit Insassen folterten - die Bilder gingen 2004 um die Welt.
Mörsergranaten und Autobomben
Der irakische Parlamentsabgeordnete Shwan Mohammed Taha, ein Kurde, der Mitglied im Sicherheitsausschuss ist, schildert die Angriffe als die massivsten, die die immer wieder tot gesagte El-Kaida-Filiale im Irak in den vergangenen Jahren durchgeführt habe.
Die Extremisten hätten die Haftanstalten mit Mörsergranaten, Schusswaffen und Panzerfäusten attackiert. Sieben oder acht Selbstmord-Attentäter seien auf das Gelände von Abu Ghraib vorgedrungen und hätten dort ihre Bombengürtel gezündet.
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Der arabische Nachrichtensender Al Dschasira berichtet von drei weiteren Selbstmord-Attentätern, die bei dem Angriff auf das Gefängnis von Tadschi eingesetzt worden seien. Zudem hätten die Angreifer an den Eingängen der Gefängnisse vier Autobomben zur Explosion gebracht und etliche am Straßenrand versteckte Bomben gezündet.
Die Angriffe konnten erst nach stundenlangen Gefechten zurückgeschlagen werden. Mindestens 26 Sicherheitskräfte und 20 Gefängnisinsassen seien bei den Angriffen ums Leben gekommen, heißt es bei Al Dschasira, Dutzende weitere wurden verletzt.
Aus Abu Ghraib sollen nach irakischen Medienberichten mindestens 600 Gefangene geflohen sein, darunter vier hochrangige El-Kaida-Anführer. In Tadschi sei weniger Gefangenen die Flucht geglückt, so der Parlamentarier Taha.
Für ihn sind die Attacken ein Indiz dafür, dass die gesamte Sicherheitsarchitektur des Landes zerstört ist: „Wir haben keine Sicherheitslücken. Wir haben überhaupt keine Sicherheit.“ Premier Maliki sei nicht in der Lage, die immer fragiler werdende Situation in den Griff zu bekommen, kritisiert der Kurde.
Sunniten fühlen sich benachteiligt
Maliki gehört der schiitischen Bevölkerungsmehrheit des Landes an. Die Minderheit der Sunniten, die unter dem durch den US-Einmarsch 2003 gestürzten Machthaber Saddam Hussein die politische Elite stellte, wirft Maliki zunehmend diktatorisches Gebaren vor.
Tatsächlich hat sich der Premier in den vergangenen Jahren eine ungeheure Machtfülle angeeignet. Er hat Befehlsgewalt über Polizei, Geheimdienste und spezielle Antiterror-Einheiten. Das Verteidigungsministerium führt ein von ihm eingesetzter Strohmann. Die Sunniten fühlen sich von politischer Teilhabe ausgeschlossen und benachteiligt – seit Anfang des Jahres eskaliert deswegen die Gewalt.
In der Millionenstadt Mossul im Norden des Landes starben gestern zudem 15 Menschen bei einem Selbstmordanschlag auf eine Armee-Patrouille. 21 weitere wurden verletzt.