Griesheim.
Welche Folgen ein eher lustig gemeinter Aufruf bei Facebook in Zeiten weltweiter Kommunikationsüberwachung haben kann, hat Daniel Bangert jetzt am eigenen Leib erfahren. Der 28-Jährige initiierte eine „Entdeckungstour“ aus Protest gegen das amerikanischen Überwachungsprogramm Prism: Er lud via Facebook zu einem Spaziergang ein, und zwar zur US-Einrichtung Dagger Complex in seiner Heimat Griesheim. Hier, in einem streng von der Öffentlichkeit abgeriegelten Bereich des beschaulichen Städtchens in Süd-Hessen, wird einer der Hauptstützpunkte der NSA in Deutschland vermutet. Seinen Internet-Eintrag haben offenbar aber andere mitgelesen, und so stand plötzlich die Polizei vor seiner Tür.
Der Facebook-Eintrag
Bangert ist seit Bekanntwerden des NSA-Skandals genervt von der allumfassenden Überwachung der US-Geheimdienste in Deutschland. Deshalb erstellte er einen Facebook-Eintrag mit dem Titel: „NSA-Spion-Schutzbund e.V. lädt zum Entdecken und Beobachten ein.“ Die Wanderung preist er wie einen Ausflug ins Grüne an: Man wolle „gemeinsam den bedrohten Lebensraum der NSA-Spione erforschen“, heißt es in der öffentlichen Ankündigung im sozialen Netzwerk, und „wenn wir ganz viel Glück haben, bekommen wir vielleicht sogar einen echten NSA-Spion mit unseren eigenen Augen zu sehen.“
Bangerts Freunde im sozialen Netzwerk schenken dem Spaß wenig Aufmerksamkeit. „Einer hat gescherzt: Na, hat sich der NSA schon bei dir gemeldet“, sagt Bangert im Gespräch mit unserer Zeitung.
Dafür ist das Interesse an dem Griesheimer und seiner geplanten Wanderung an anderer Stelle wesentlich größer. Vier Tage nach der Einladung im Internet klingelt sein Handy, morgens um 7.17 Uhr: die Polizei. Man wolle über die auf Facebook angekündigte Veranstaltung reden. Im selben Augenblick klingelt es an der Haustür. Ebenfalls die Polizei. Der 28-Jährige zieht sich rasch ein T-Shirt über, auf dem „Team Edward“ steht und das Bild von Edward Snowden zu sehen ist, und tritt vor die Tür, um mit den Beamten zu sprechen. „Begrüßt haben mich die Polizisten mit: Guten Tag, sind Sie der Herr Bangert? Sie planen eine Demonstration am Dagger Complex? Die Amerikaner sind ja zur Zeit etwas nervös ...“, berichtet der Fachinformatikschüler. Bangert beantwortet brav alle Fragen und möchte seinerseits wissen, von wem die Polizei denn den Hinweis auf seinen „Blödsinn“ bekommen hat.
Eine Sprecherin der Darmstädter Polizei sagte gegenüber „Spiegel Online“, die US-Militärpolizei habe die Einladung auf Facebook gefunden und die Polizei benachrichtigt. Sie sei für die Sicherheit auf dem Gelände des Dagger Complex verantwortlich, für die andere Seite des Zauns die deutsche Polizei.
Kontakt zu Extremisten
„Später habe ich dann einen weiteren Anruf bekommen. Der Staatsschutz wollte mich persönlich kennenlernen“, sagt Bangert. Der Herr vom Staatsschutz habe wissen wollen, ob er Bezug zu gewaltbereiten Leuten habe. Der 28-jährige kann kaum glauben, was ihm widerfährt. Er verneint und meldet daraufhin seinen „Spaziergang“ als Demonstration an. Gerade mal 70 Leute ziehen mit ihm vor den Dagger Complex. „Normalerweise wäre das keine Zeile Wert gewesen. Ein kleiner Protest gegen Prism halt, aber diese Posse zeigt, dass Geheimdienste jeden überwachen,“ so Bangert.
Der junge Mann hofft, dass seine Geschichte „einigen Menschen die Augen öffnet.“