Berlin. Grüne und Linkspartei fordern einen Untersuchungsausschuss zur Ausspäh-Affäre durch den US-Geheimdienst NSA. Damit verschärfen sie auch den Druck auf die Bundesregierung. Kanzlerin Angela Merkel forderte die USA und ihre Geheimdienste auf, sich auf deutschem Boden an deutsches Recht zu halten.
In der Ausspäh-Affäre durch den US-Geheimdienst NSA verschärft die Opposition den Druck auf die Bundesregierung. Grüne und Linkspartei fordern einen Untersuchungsausschuss des Bundestags, um das wahre Ausmaß der vermuteten NSA-Aktionen in der Bundesrepublik und eine mögliche Beteiligung deutscher Stellen offen zu legen. US-Regierungs- und Geheimdienstkreise betonen laut "Bild"-Zeitung, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) seit Jahren von der nahezu totalen Datenerfassung wisse.
"Die gesamte deutsch-amerikanische Schnüfflerkooperation seit der Jahrtausendwende muss aufgeklärt werden", sagte die Linke-Vorsitzende Katja Kipping der "Passauer Neuen Presse". Der Grünen-Sicherheitspolitiker Omid Nouripour ergänzte in dem Blatt: "Ein Untersuchungsausschuss zur Spähaffäre ist eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode."
Grüne und Linkspartei fordern schonungslose Aufklärung
Nouripour räumte ein, dass man "genauso schonungslos" klären müsse, was Rot-Grün nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von der Arbeit der amerikanischen Geheimdienste wusste oder billigte. Kipping meinte, es sehe alles danach aus, als ob Rot-Grün die Türen weit aufgemacht habe und Schwarz-Gelb noch weiter.
Grüne und Linke reagieren damit auch auf die aus ihrer Sicht völlig unzureichenden Ergebnisse des Washington-Besuchs von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Der CSU-Politiker hatte von der US-Regierung Aufklärung über die Vorkommnisse erhalten und ihr zugleich den deutschen Standpunkt deutlich machen wollen.
Am Wochenende sprach die Opposition von einer "Luftnummer" und einem "Desaster". SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück warf Kanzlerin Angela Merkel vor, ihren Amtseid verletzt zu haben, der sie verpflichte, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
USA sollen bei Geheimdienstaktionen in der Bundesrepublik deutsches Recht beachten
Friedrich will am Mittwoch den Innenausschuss des Bundestags und das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium informieren.
Merkel forderte die USA am Sonntag nochmals unmissverständlich auf, bei Geheimdienstaktionen in der Bundesrepublik das deutsche Recht zu beachten. Sie "erwarte eine klare Zusage der amerikanischen Regierung für die Zukunft, dass man sich auf deutschem Boden an deutsches Recht hält", sagte sie im ARD-"Sommerinterview".
Deutschland und die USA seien befreundete Partner, sagte Merkel: "Wir sind in einem Verteidigungsbündnis und man muss sich aufeinander verlassen können." Nach der Friedrich-Reise habe sie bislang jedoch keine Hinweise, dass die Amerikaner deutsches Recht gebrochen hätten, fügte Merkel hinzu.
Andrea Nahles kritisierte, dass Angela Merkel keine Antworten auf NSA-Affäre habe
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf der Kanzlerin im Anschluss vor, sie bleibe sich treu: "Zu einem der größten deutschen Geheimdienstskandale hat Merkel keine Antworten, sondern gibt nur Belanglosigkeiten von sich." Die massenhafte Verletzung deutscher Bürgerrechte durch ausländische Geheimdienste stoße bei ihr offensichtlich auf Desinteresse.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte mit Blick auf die NSA-Affäre eine Revision der Zusammenarbeit mit den USA. "Die Bundesregierung muss die ganze Palette der Zusammenarbeit mit den Amerikanern auf den Prüfstand stellen", sagte er "Spiegel Online". Das gelte etwa für das Fluggastdatenabkommen. "Und natürlich muss Deutschland Edward Snowden Schutz bieten", betonte der Grünen-Spitzenkandidat mit Blick auf den Enthüller des US-Geheimdienstskandals.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) bat nach einem Zeitungsbericht in den vergangenen Jahren immer wieder die US-Geheimdienste um Hilfe, wenn deutsche Staatsbürger im Ausland entführt waren. Dabei sei es ganz konkret um die Abfrage gespeicherter Kommunikationsvorgänge deutscher Staatsbürger gegangen, berichtete die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf US-Regierungskreise.
Prism speichere alle Inhalte elektronischer Kommunikation - zum Teil für immer
Aus US-Regierungskreisen habe "Bild" ebenfalls erfahren, dass Prism und eine Reihe anderer streng geheimer Programme nahezu alle elektronische Kommunikation von Nicht-Amerikanern im Ausland aufzeichnen, auch in Deutschland. Bundesinnenminister Friedrich hatte auf seiner USA-Reise gesagt, dass PRISM gezielt nach Inhalten "zu Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und organisierter Kriminalität" suchen würde.
Anders als von Friedrich dargestellt, speicherten Programme wie Prism aber flächendeckend alle Inhalte von elektronischer Kommunikation. Das habe "Bild" von mehreren Quellen erfahren, die mit den Programmen vertraut sind.
Die Inhalte würden in der Regel nach drei bis sechs Monaten gelöscht. Die sogenannten Metadaten (Wer hat wem wann gemailt? Was stand in der Betreffzeile?) würden hingegen für immer gespeichert. Die US-Dienste bezeichneten diese Methode der Vorratsdatenspeicherung als "Warehousing". (dpa)