Hagen.

Auf deutschen Straßen kracht es wieder häufiger, trotzdem kommen bei Verkehrsunfällen immer weniger Personen zu Schaden: Die Zahl der Verkehrstoten lag 2012 mit 3600 sogar so niedrig wie seit 1950 nicht mehr – innerhalb von zwölf Jahren hat sie sich halbiert. Die gestern in Berlin vorgelegte Unfallbilanz des Statistischen Bundesamts belegt: Der Langzeittrend der Verkehrssicherheit ist eindeutig positiv. Trotzdem warnen Experten vor Euphorie. Die wichtigsten Trends:

Die Lage in Nordrhein-Westfalen

NRW schneidet in der Statistik besonders gut ab, die Verkehrssicherheit ist vergleichsweise hoch: Auf eine Million Einwohner kommen in NRW 30 tödlich Verunglückte, bundesweit sind es 44, in Brandenburg sind es sogar 67. Ein Grund dürfte das relativ dichte Autobahnnetz in Nordrhein-Westfalen sein - denn die meisten schweren, tödlichen Unfälle passieren auf Landstraßen. Gemessen an der Bevölkerungszahl kamen im vergangenen Jahr zehn Prozent weniger Menschen zu Schaden als im Bundesdurchschnitt. Und: Während die Zahl der Unfall-Verletzten bundesweit um 2,1 Prozent zurückging, sank sie hier um 4 Prozent. Ähnlich bei den Todesopfern: Um 17 Prozent auf insgesamt 528 nahm ihre Zahl in NRW ab, bundesweit wird ein Rückgang um 10 Prozent registriert.

Die Entwicklung: Innerhalb von 20 Jahren hat das Risiko, im Straßenverkehr ums Leben zu kommen, für die Bevölkerung um zwei Drittel abgenommen, für Kinder sogar um 80 Prozent. Der langfristig positive Trend - 1970 starben noch 21 300 Menschen bei Verkehrsunfällen - hat laut Statistikamts-Präsident Egeler ein ganzes Bündel an Ursachen: Die Einführung von Helmtrage- und Gurtanlegepflicht oder schärfere Promille-Regelungen hätten ebenso ihre Wirkung gezeigt wie die ständige Verbesserung der Sicherheit und der technischen Ausstattung der Autos. Auch sicherheitsorientierte Straßenführungen, mehr Radwege und die bessere Notarztversorgung seien für den positiven Trend verantwortlich. Den beachtlichen Rückgang der Todesopfer im letzten Jahr sehen die Experten aber auch als Folge des nassen und kühlen Wetters - dabei passierten zwar mehr Unfälle, aber es seien aber weniger ungeschützte Fußgänger und Fahrradfahrer unterwegs.

Wann und wo es kracht

2,4 Millionen Verkehrsunfälle gab es 2012, alle 13 Sekunden einer. Ein Anstieg von immerhin 1,7 Prozent gegenüber 2011. Die meisten Unfälle werden im Oktober gezählt, von den Wochentagen ist der Freitag am unfallträchtigsten. Zwar passieren fast drei Viertel der Unfälle innerorts, doch die schweren spielen sich überwiegend auf Landstraßen ab - sechs von zehn Todesopfern waren hier unterwegs, nur jeder zehnte starb auf der Autobahn.

Zu hohe Geschwindigkeit ist bei schweren Unfällen mit Todesopfern die Hauptursache, Alkoholeinfluss und Überholmanöver haben ebenfalls oft schwere Folgen. Die Statistiker mahnen: Kurven, vor allem auf Landstraßen, bedeuten für viele Fahrer ein besonderes Risiko - auffallend oft mit tödlichen Folgen.

Die Risikogruppen

Jeder zweite Verkehrstote starb 2012 im Pkw, jeder sechste saß auf dem Motorrad, jeder siebte war zu Fuß unterwegs und jeder neunte auf dem Fahrrad. Blickt man aber 20 Jahre zurück, dann ist vor allem das Risiko der Pkw-Insassen gesunken. Autos werden immer sicherer. Der Nutzen von Sicherheitsausrüstung mit Airbag und Fahrer-Assistenzsystemen ist an den Zahlen ablesbar: 2012 starben in Autos, die 15 Jahre oder älter waren, 5,2 Menschen je 100 000 Fahrzeuge - in jüngeren Autos waren es 3,5. Das Risiko, auf einem Motorrad getötet zu werden, war 2012 fast viermal so hoch wie im Auto. Trauriger Ausreißer der guten Bilanz: Die Zahl der ums Leben gekommenen Radfahrer stieg um 7 auf 406.

Gefahr für Junge und Alte

Junge Erwachsene haben nach wie vor das höchste Risiko, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, auch wenn sich die Lage verbessert hat. Das zweithöchste Risiko tragen inzwischen Senioren. Künftige Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit müssten daher ein besonderes Augenmerk auf diese Gruppe richten, so der Bericht.

Experten warnten vor Euphorie: „Nach wie vor werden täglich zehn Menschen auf unseren Straßen getötet und rund 1000 verletzt - die Sicherheitspotenziale sind nicht ausgeschöpft“, erklärte der Deutsche Verkehrssicherheitsrat. Seine Forderungen: Mehr Tempolimits an gefährlichen Stellen von Landstraßen und innerorts, ein Alkoholverbot am Steuer, mehr Kontrollen und mehr Schutz für Radfahrer - auch durch das Tragen von Fahrradhelmen.