Paris.

Mit harschen Worten hatte Frankreichs Staatschef François Hollande auf die schier grenzenlosen Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA reagiert. „Wir verlangen, dass das sofort aufhört“, tönte der Sozialist, empört darüber, dass die NSA auch vor französischen und EU-Einrichtungen nicht halt machte. Jetzt zeigt sich: Auch die französischen Geheimdienste sind offenbar nicht zimperlich beim Abfangen von digitaler Kommunikation. Laut Tageszeitung „Le ­Monde“ zapft der Auslandsgeheimdienst DGSE massiv private Daten an. Die Regierung wies das zurück.

Supercomputer im Keller

Von einem französischen „Big ­Brother“ spricht „Le Monde“ in seiner Freitagausgabe. Demnach werden systematisch elektromagnetische Signale aus Computern und Telefonen in Frankreich gesammelt; abgeschöpft werden auch die Datenverbindungen ins Ausland. Betroffen sind SMS, E-Mails, Telefonate, Einträge auf Twitter oder Facebook. Auf Supercomputern, die in den Kellergeschossen der DGSE-Zentrale im 20. Pariser Bezirk drei Stockwerke einnehmen, werden die Daten über Jahre hinweg gespeichert.

In Frankreich geht es laut „Le Monde“ nicht um den Inhalt der Kommunikation. Von Interesse für die Geheimdienstler sind vielmehr die Verbindungsdaten – also zu wissen, wer wann mit wem kommuniziert. Und aus dem riesigen Datenfundus bedienen sich dem Bericht zufolge nicht nur die Mitarbeiter der DGSE – auch andere französische Dienste würden „täglich“ auf die Daten zugreifen, sogar die Kriminalpolizei. Das Programm sei „vollkommen illegal“ und „außerhalb jeglicher ernsthaften Kontrolle“, schreibt „Le Monde“.

Die Regierung bestreitet das: Der Bericht sei „nicht exakt“, so das Büro von Regierungschef Jean-Marc Ayrault. Für das Abfangen von Daten gebe es eine rechtliche Grundlage, es erfolge auf Anweisung des Regierungschefs, das nationale Kontrollgremium CNCIS überwache die Eingriffe. Der sozialistische Abgeordnete Jean-Jacques Urvoas, im Parlament für Geheimdienste zuständig, warf „Le Monde“ „Fantastereien und Ungenauigkeiten“ vor.

Doch zitiert die Zeitung eine Stellungnahme der französischen Datenschutzbehörde, wonach jeder Antrag auf das Abfangen von Daten „zielgerichtet“ sein müsse. Ein „massenhaftes“ Abfangen der Kommunikation, wie es angeblich passiert, sei nicht vom Gesetz gedeckt.

Genaues will die Regierung über das Spionageprogramm nicht preisgeben. In einer Parlamentsdebatte zu einem anderen Thema wandte sich der Oppositionsabgeordnete Jean-Christophe Lagarde an Innenminister Manuel Valls: „Können Sie uns versichern, Herr Minister, dass kein Parlamentarier von einem solchen System betroffen ist und dass die Informationen falsch sind?“ Eine Antwort bekam Lagarde nicht.

Allgemein gab es nur wenig Widerhall auf die Enthüllungen. Frankreichs Medien beschäftigten sich am Freitag mit dem Finanzdebakel um Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy, nachdem seiner konservativen Partei UMP staatliche Zuschüsse für den Präsidentschaftswahlkampf 2012 in Höhe von elf Millionen Euro gestrichen worden waren.

„Genauso große Ohren“

Nach der Empörung über die Aktivitäten der Geheimdienste aus den USA und Großbritannien blieb offenbar wenig Luft, sich auch noch über die Methoden der heimischen Behörden zu echauffieren – zumal in Frankreich nach Islamisten-Attacken der jüngeren Vergangenheit mehr Verständnis für eine Ausweitung der Geheimdienstbefugnisse herrschen dürfte als etwa in Deutschland.