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Das Ehrenamt wird wichtiger, weil die Gesellschaft älter wird: Zu diesem Schluss kommt Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), im Interview mit dieser Zeitung.

Was ist in Zukunft die größte Herausforderung für das DRK?

Seiters: Es wird mehr alte und damit auch demente Menschen geben. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird von heute 2,2 auf 4,7 Millionen im Jahr 2050 ansteigen. Gleichzeitig sinkt der Anteil der jüngeren Menschen. Einer immer höheren Zahl von Hilfebedürftigen werden immer weniger potenziell Helfende gegenüberstehen.

Wie wollen Sie die Lücke füllen?

Wir müssen mehr junge Leute für das Ehrenamt gewinnen, vor allem mehr junge Zuwanderer. Diese sind mit 15 Millionen ein riesiges Potenzial. Wir wollen Hilfsbereitschaft also interkulturell aufstellen. Das ist ein Schwerpunkt der Mitgliederwerbung in diesem Jahr.

Das DRK unterhält 500 Altenheime. Bauen Sie diese aus oder die ambulante Hilfe zu Hause?

Wir behalten beides im Auge. Sicher wird die ambulante Pflege in Zukunft wichtiger werden. Denn alle Umfragen zeigen, dass die Menschen in ihrem gewohnten Umfeld alt werden möchten. Wir bauen noch mehr ehrenamtliche Angebote auf, um alten und einsamen Menschen zu helfen, sie zu besuchen oder ihnen einfach nur die Hand zu halten.

Die Gesellschaft verändert sich. Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und Organisationen verlieren Mitglieder. Auch das DRK ist betroffen. Gibt es einen Rückzug ins Private?

Wir hatten einmal 3,9 Millionen Fördermitglieder. Jetzt liegen wir bei 3,5 Millionen. Der Trend, den Sie nennen, trifft alle Organisationen. Auch uns. Aber das ist kein Rückzug ins Private. Ich glaube, dass es bei jungen Menschen eine veränderte Haltung zum Ehrenamt gibt. Sie sind weniger bereit, sich dauerhaft in einer festen Vereinsmitgliedschaft zu binden. Dafür wächst spontanes Engagement, und das in großem Umfang wie beim Hochwasser oder in Bürgerinitiativen.

Können Sie den Trend nutzen?

Für uns ist entscheidend, dass die Zahl der aktiven Helferinnen und Helfer nicht sinkt. Das tut sie nicht. Seit Jahren haben wir eine stabile Ressource von 400 000 Menschen. Auch das Jugendrotkreuz, 110 000 junge Leute sind aktiv, verliert nicht. Es baut derzeit zum Beispiel den Sanitätsdienst an Schulen aus.

Wie haben Sie den Wegfall des Zivildienstes verkraftet?

Das Schlimme war, dass dies überraschend kam und schnell umgesetzt werden musste. Das hat uns Sorge gemacht. Wir haben aber gegengehalten. Heute sind wir mit rund 11 500 Plätzen im Freiwilligen Sozialen Jahr der stärkste Anbieter. Beim neuen Bundesfreiwilligendienst besetzen wir mit aktuell rund 2790 Plätzen alle Stellen. Wir wollen unsere BFD-Plätze im Freiwilligenjahr 2013/14 weiter auf über 3200 Plätze ausbauen.

Sieht das DRK hier Hürden?

Wir wünschen uns für die Zukunft, dass der Bund eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Freiwilligendienste auch finanziell ermöglicht. Es wäre schade, wenn man interessierten Menschen jeden Alters, die wollen, eine Absage erteilt, weil die Gelder nicht zur Verfügung stehen. Es geht nicht um Unsummen.