München.
Vor Gericht hat Beate Zschäpe bislang noch kein Wort gesagt. Doch nun ist ein Brief aufgetaucht, den die Hauptangeklagte des Münchner NSU-Prozesses geschrieben hat. Die 26 Seiten geben einen Einblick in ihre Gedankenwelt.
Adressat ist Robin S., der früher in der Dortmunder Neonazi-Szene aktiv war und laut Süddeutscher Zeitung seit 2007 eine Haftstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung in Bielefeld absitzt. Den auf Anfang März datierten Brief leiteten die NRW-Behörden an die Bundesanwaltschaft weiter. Zschäpe schreibt zwar, dass sie Robin S. erst seit zwei Monaten kenne, und das auch nur schriftlich – nach einem Schreiben des NRW-Innenministeriums könnte der Briefverkehr aber Anzeichen dafür geben, dass sich die beiden in Wirklichkeit schon länger kennen.
Das könnte von Bedeutung sein, da die Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) laut Anklage auch einen Mord in Dortmund begangen haben: Am 4. April 2006 erschossen sie Mehmet Kubasik (39) in seinem Kiosk.
Vor allem aber gewährt der stellenweise mit selbstgemalten Comicfiguren illustrierte Brief erstmals einen Blick in die Vorstellungswelt der 38-Jährigen. Zschäpe schreibt, die Ärztin im Gefängnis habe ihr Schlafmittel und Antidepressiva angeboten – obwohl sie keine Anzeichen von Depression habe. Kurz darauf berichtet sie aber von einer permanenten inneren Unruhe, die in ihr herrsche.
Selbstmitleid zeigt sie, kritische Selbstreflexion eher nicht. Sie beklagt sich über die angebliche Vorverurteilung durch Innenminister Friedrich, zweifelt, ob sie eine Chance auf einen fairen Prozess habe. Staatsanwaltschaft, Polizei und Politiker würden sich ein Lebensgeständnis von ihr wünschen, so Zschäpe – es klingt nicht so, als würde sie ernsthaft darüber nachdenken. Seitenlang flirtet Zschäpe mit ihrem Brieffreund, über Politik schreibt sie nur in Andeutungen. Aber Kindheitserinnerungen formuliert Zschäpe – wie sie einmal beim Essen im Kindergarten allein an den „Katzentisch“ versetzt wurde, nachdem sie vorher am Vierertisch alle Schnitzel für sich markiert hatte. Schon damals sei sie ungerechtfertigt bestraft und einzeln gehalten worden. Ihr Leben sei eine Reise durch den Wahnsinn, durch Licht und Dunkelheit. Und: Man sei beschränkt darauf, zwischen den Zeilen zu lesen, schreibt Zschäpe. So lange sie nicht redet, wird genau das mit ihrem Brief geschehen.