Berlin. .
Peer Steinbrücks Schattenkabinett ist endlich komplett, aber die Abschluss-Präsentation des Teams vermasselt der Kanzlerkandidat gleich selbst. Seine Nachricht des Tages ist ein spektakulärer Rauswurf: Gut 100 Tage vor der Wahl entlässt Steinbrück seinen Sprecher und Kommunikationschef Michael Donnermeyer und heuert stattdessen den früheren „Bild“-Journalisten Rolf Kleine an. Es gehe um die bestmögliche Aufstellung und Wirkungskraft für den Wahlkampf, sagte Steinbrück im Willy-Brandt-Haus. Es ist eine Notbremsung und das Eingeständnis, dass die Wahlkampagne bisher nicht ins Laufen gekommen ist. Wie viel Verantwortung Donnermeyer für die Pleiten und Pannen trägt, ist umstritten, unglücklich agierte er allemal: Obwohl bis 2002 SPD-Sprecher, wurde er mit seiner neuen Rolle nicht warm. Mehrere Kommunikationspannen Steinbrücks gingen auch auf sein Konto.
Nachfolger Kleine, der seit 2012 die Hauptstadt-Repräsentanz des Immobilienkonzerns „Deutsche Annington“ leitete, soll dem Kandidaten jetzt durch gute Vernetzung in der Medienszene helfen – und dabei auch für jene Mietpreisbremse aus dem SPD-Programm werben, die seine bisherige Branche vehement bekämpft.
Gerangel in der Führungsspitze
Ob das noch etwas bewirkt? Der riskante Umbau im Sprecheramt kann die größeren Defizite der Kampagne nicht verdecken. Dass Steinbrück mit seinem kühlen Finanzexperten-Image nicht richtig zum wohligen Gerechtigkeits-Programm der SPD passt, war allen Beteiligten bewusst – doch hätte eine funktionierende Arbeitsteilung in der Parteispitze das Manko ausgleichen können. Aber Steinbrück und seine Berater brauchten nach der überstürzten Kandidatur lange Zeit, um überhaupt Fuß zu fassen in der Parteizentrale. Jetzt hakt es dafür auf der Führungsebene: Angesichts magerer Umfragewerte ist das Klima in der engeren SPD-Spitze angespannt, die Nervosität wächst. Mangelhafte oder gar keine Absprachen, widersprüchliche Botschaften, Kompetenzgerangel, zu wenig strategische Abstimmung -intern sind die Klagen von Führungsleuten inzwischen massiv.
Offenkundig ist das Gerangel vor allem zwischen Parteichef Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück. Der Kandidat ärgert sich über die Parallelwahlkämpfe und Alleingänge des Parteichefs zutiefst – von der Zypern-Hilfe bis zum Tempolimit. Gabriels Leute vermissen dagegen Angriffslust, der Parteichef hat im kleinen Kreis wiederholt seinem Ärger freien Lauf gelassen; so wächst das Misstrauen. Als schwer belastet gilt das Verhältnis von Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier – angeheizt durch kolportierte Vorwürfe aus dem Willy-Brandt-Haus, Steinmeier trage durch seinen voreilig verkündeten Verzicht auf die Kanzlerkandidatur eine Mitverantwortung für die aktuelle Misere.
Dreht sich die Stimmung nicht, dürften solche Schuldzuweisungen nach der Wahl auch öffentlich diskutiert werden: Während Steinbrück sich zurückzieht, sollte er die Kanzlerschaft verpassen, müssten Gabriel und Steinmeier um die Spitzenposten ringen. Für den Fall einer großen Koalition galt einige Zeit, dass Gabriel neben dem Partei- auch den Fraktionsvorsitz übernimmt und Steinmeier wie 2005 Vizekanzler und Außenminister wird. Inzwischen macht Steinmeier klar, dass er den Fraktionsvorsitz nicht kampflos räumt; ob der sprunghafte Gabriel als Vizekanzler eine gute Besetzung wäre, wird in der SPD kontrovers diskutiert.
Hannelore Kraft als Alternative
Bekommt am Ende Schwarz-Gelb wieder eine Mehrheit, fährt die SPD abermals eine schwere Wahlniederlage ein, könnte sogar alles ins Rutschen geraten. Die Verdienste Gabriels um die Konsolidierung der Partei werden zwar allgemein anerkannt, doch heißt es auch: „Steinbrücks Niederlage wäre auch Gabriels Niederlage.“ Mit Parteivize Hannelore Kraft gebe es womöglich sogar eine Alternative, raunen führende Genossen.