Berlin.. Kein Tag ohne medienwirksame Auftritte: Bundeskanzlerin Angela Merkel arbeitet schon im Vorwahlkampf-Modus. Nicht nur die SPD wundert sich über ihre Volten. Doch bei den Sozialdemokraten macht sich die Hoffnung breit, dass die Kanzlerin mit ihren Ankündigungen überzogen hat.

Statt Gummistiefeln und Regenjacke trägt die Kanzlerin Wanderschuhe und Blazer, sonst ähneln sich die Bilder: So wie Angela Merkel am Dienstag Hochwassergebiete besuchte und Hilfen versprach, so hatte sich schon ihr Vorgänger Gerhard Schröder bei der Flut 2002 gezeigt – und mit dem Image des tatkräftigen Krisenmanagers gewann Schröder wenig später die Bundestagswahl.

Zwar bestreiten Merkels Helfer einen Zusammenhang mit dem Wahlkampf, doch ihr eiliger Besuch an der Wasserfront zeigt, dass die Kanzlerin die Lektion gelernt hat: Wer bei solchen Katastrophen zögert, hat das Nachsehen. Kümmerer-Bilder auf dem Deich schaffen dagegen Sympathie und Vertrauen beim Wahlvolk.

Medienwirksam vor Publikum

Die Kanzlerin arbeitet ja längst im Vorwahlkampf-Modus. Auffallend häufen sich ihre öffentlichen Auftritte, allein in dieser Woche zeigt sich Merkel von der Verleihung des Deutschen Schulpreises bis zur Rede beim Bauindustrie-Kongress insgesamt achtmal medienwirksam vor großem Publikum, wobei die Bundeskanzlerin es neuerdings gern auch mal menscheln lässt.

Dass Hochwasser-Einsätze wie am Dienstag auch unter diesem Aspekt hilfreich sind, ist nicht die einzige Wahlkampf-Erkenntnis, die Merkel der SPD verdankt. Die Kanzlerin bedient sich auch sonst schon mal gern bei den Sozialdemokraten. Ob Mindestlohn oder Atomausstieg – die CDU-Chefin hatte schon bisher wenig Scheu, sozialdemokratische oder rot-grüne Themen zu übernehmen und so die Konkurrenz zu neutralisieren.

Jetzt tut sie es auch ganz ungeniert: Die gesetzliche Begrenzung von Neumieten, die Merkel als Forderung im Wahlprogramm ankündigt, sei „eine SPD-Idee“, räumt die Kanzlerin nun ein. Noch vor gut einem Monat lehnte die Koalition eine Mietpreisbremse ab. „Wir haben uns das noch einmal durch den Kopf gehen lassen“, sagt Merkel, „und wenn die SPD mal als erste 'ne gute Idee hatte“, wolle sie die nicht verhindern.

Merkels Kursschwenk macht die SPD ratlos. Die Wohnungspolitik sollte eine der zentralen Themen von Steinbrücks Wahlkampagne sein. „Merkel will es uns durch Themenklau so schwer wie möglich machen“, klagt ein Spitzengenosse. Die „asymmetrische Demobilisierung“, wie Experten die Unionsstrategie des Einlullens potenzieller SPD-Wähler bezeichnen, hatte den Sozialdemokraten schon 2009 geschadet.

„Das treibt die Menschen um“

Jetzt wiederholt Merkel das Spiel. Nach einer Telefonkonferenz mit Bürgern letzte Woche resümierte sie als wichtige Erkenntnis: „Dass es gerecht zugeht, treibt die Menschen schon um.“

Hochwasser hält Deutschland in Atem

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Die Inhalte unterscheiden sich zum Teil deutlich, beim Mindestlohn etwa ist das Unions-Modell weit entfernt vom Vorschlag der SPD – aber die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit überlässt die Kanzlerin im Wahlkampf auf diese Weise nicht der SPD. Einführung einer besseren Mütterrente, höheres Kindergeld: Merkel will entsprechende Parteitagsbeschlüsse jetzt in sozialpolitische Wahlkampfversprechen ummünzen.

Die Sache hat nur einen Haken: Wie das bezahlt werden soll, wo die Union doch einen ausgeglichenen Haushalt verspricht, ist völlig unklar; in der Union löst Merkels Strategie deshalb Widerspruch aus. „Wir werden keine neuen Schulden aufnehmen und auch nicht die Steuern erhöhen“, so Fraktionschef Volker Kauder.

In der SPD macht sich schon die Hoffnung breit, mit ihren Ankündigungen habe die Kanzlerin überzogen. Doch gegen die Fluthelferin Merkel ist die SPD machtlos: Kurzfristig musste die Parteispitze gestern eine Bootstour auf dem Berliner Wannsee absagen, zu der der rechte SPD-Flügel traditionell die Parteiprominenz versammelt. Partybilder von Peer Steinbrück auf dem Wasser, während Merkel durch die Fluten watet – das hätte der SPD gerade noch gefehlt.

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