Brüssel. Nach langem Streit hat sich die EU auf eine Reform des Schengen-Raums geeinigt. Nun sind bei einem Ansturm von Flüchtlingen langfristige Einreise-Restriktionen erlaubt.

Die Staaten in Europa können künftig Grenzkontrollen einführen, wenn zahlreiche illegale Einwanderer ins Land kommen. Auf diese Reform des Schengen-Raums der Reisefreiheit haben sich die EU-Staaten, das Europaparlament und die EU-Kommission geeinigt. Das teilte die irische EU-Ratspräsidentschaft am Donnerstag in Brüssel mit. Mit der neuen "Notfallklausel" wird eine zentrale Forderung Deutschlands erfüllt. Allerdings soll es keine Alleingänge von Staaten geben. Denn Grundlage für die Maßnahme soll ein Vorschlag der EU-Kommission sein, die diese auch überwachen wird.

Voraussetzung ist, dass ein Schengen-Staat trotz EU-Hilfe seine Außengrenzen nicht mehr schützen kann und die innere Sicherheit anderer Staaten "massiv bedroht" ist. Länder dürfen dann bis zu zwei Jahre lang wieder ihre Grenzen überwachen. Dies ist nur in außergewöhnlichen Umständen und als letztes Mittel möglich.

Bislang zeitliche stark begrenzte Kontrollen möglich

Bislang sind Kontrollen von 30 Tagen nur bei Großereignissen wie Fußball-Spielen sowie für 10 Tage nach Notfällen wie Terroranschlägen erlaubt. Dies soll auch künftig so bleiben. Die neuen Regeln könnten laut EU-Kommission nach einer Übergangsphase im Herbst 2014 in Kraft treten. Die Einigung muss in den nächsten Wochen noch vom Parlament und den EU-Staaten angenommen werden, dies gilt aber als Formalie.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) begrüßt die geplante Reform. Die Entscheidung zeige, "dass wir in Europa auch hier in der Lage sind, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken", sagte Friedrich in Berlin. Die Balance zwischen der Achtung der nationalen Souveränität und der notwendigen Befassung auf europäischer Ebene werde gewahrt.

Die Diskussion um die Sicherung der Außengrenzen war 2011 aufgeflammt, als im Arabischen Frühling tausende Flüchtlinge aus Nordafrika nach Europa kamen. Laut EU-Diplomaten könnte Griechenland ein möglicher Auslöser des neuen Notfallmechanismus werden. Denn Athen ist seit Jahren mit der Grenzsicherung überfordert. Illegale Einwanderer reisen von dort weiter in den Rest Europas - auch nach Deutschland.

Das Schengener Abkommen garantiert die Reisefreiheit in Europa: An den Grenzen der 26 Unterzeichner-Staaten gibt es normalerweise keine Passkontrollen mehr.

Grüne strikt gegen die Aufweichung des Schengener Abkommens

Fast zwei Jahre lang haben die EU-Staaten mit der EU-Kommission und dem Parlament um die Reform gestritten. Die EU-Innenminister hatten sich bereits im vergangenen Sommer auf diese Ausnahmeregelung geeinigt, sprachen sich aber für Alleingänge aus. Diese sollen nun nicht möglich sein. Denn die EU-Kommission soll auf Anfrage Maßnahmen vorschlagen und der EU-Ministerrat eine Empfehlung dafür aussprechen. Brüssel kontrolliert dann die Umsetzung.

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte: "Die EU-Kommission überwacht, auch durch Besuche vor Ort, dass die Staaten ihre Verpflichtungen erfüllen und nicht ungerechtfertigt Grenzen kontrollieren." Die Reform werde den Schengenraum "zum Wohl von Europas Bürgern" stärken.

Aus dem EU-Parlament kam Kritik von den Grünen, die eine Abschottung Europas befürchten. Die deutsche Grünen-Abgeordnete Ska Keller bemängelte, Europa lege "die Axt an Schengen": "Wir Grüne lehnen diese Aufweichung von Schengen entschieden ab." Der stellvertretende Fraktionschef der EVP, der CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber, sprach dagegen von einem Erfolg: "Wir haben höhere Standards durchgesetzt, die Evaluation ist neutraler." (dpa)