Berlin. .
Eigentlich wollte Thomas de Maizière gestern vor dem Parlament für seine Reform der Bundeswehr werben. Aber dann kam das Fiasko um das Drohnenprojekt „Euro Hawk“. 500 bis 688 Millionen Euro wurden für die Entwicklung und ein Testflugzeug in den Sand gesetzt. Nun musste sich der Verteidigungsminister selbst verteidigen. Für Fehlinvestition und Informationspolitik gegenüber dem Bundestag. „Uns hat man im Dunkeln gelassen“, hielt ihm der SPD-Wehrpolitiker Rainer Arnold vor.
Die Opposition war seit langem beunruhigt. Erst wurden dem Bundesrechnungshof alle Unterlagen über das Projekt verweigert. Dann bekam die SPD einen Insidertipp, dass es seit 2011 technische Probleme gebe. Das Parlament bewilligte dennoch weitere 218 Millionen Euro für 2012 und 2013.
Rot-Grün startete das Projekt
Rückblick: Das Projekt geht auf Rot-Grün zurück. Den endgültigen Kauf vereinbarte die Große Koalition. Es geht um eine europäische Version der US-Aufklärungsdrohne „Global Hawk“. Von beiden Modellen wollte die Luftwaffe neun Stück erwerben. Ein tolles Gerät – auf dem Papier. Es kann in 20 Kilometern Höhe fliegen, mehr als 30 Stunden in der Luft bleiben. Bei Versuchsflügen im bayrischen Manching hat die Testdrohne funktioniert. Das Problem ist nur, dass die Steuerung ausfallen kann. Bei Auslandseinsätzen gingen die Amerikaner „hemdsärmelig“ vor, so Arnold. Daheim in den USA wurde die Drohne oft von Jagdflugzeugen begleitet – um sie über bewohntem Gebiet notfalls abzuschießen. Offenkundig stimmt mit dem Kollisionsschutz etwas nicht. Bei Versuchsflügen wurde der Flugraum über Manching immer gesperrt. Das ist natürlich keine Dauerlösung.
Man hätte stutzig werden können. Die US-Luftwaffe bestellte 240 Drohnen, aber stornierte den Auftrag nach den ersten 18 Auslieferungen. Der Vogel blieb am Boden. Bald dämmerte es den Experten in Berlin, dass diese Drohne in Europa nie eine Zulassung erhalten würde. Dazu kommt: Die Amerikaner konnten oder wollten die notwendigen Dokumente und Daten nicht liefern. Was sie in der Black Box der Maschinen eingebaut haben, verraten sie auch nicht. „Es gibt offenbar jede Menge Probleme“, folgerte Hans-Peter Bartels (SPD). Wo es genau hakt, das verriet Staatssekretär Stéphane Beemelmans nicht dem Verteidigungsausschuss.
Europäische Technik
Schadensbegrenzung lautet jetzt die Devise. Die Aufklärungstechnik wurde in Europa entwickelt. Die könnte man retten. Parallel wird mit dem Hersteller Northrop Grumman verhandelt. Die Entwicklungskosten von einer halben Milliarde Euro sind wohl futsch. Das Steuergeld kann man abschreiben. „Offenbar kann man kein Geld zurückfordern“, erzählt Arnold. Eigentlich sollte die Drohne das ausgemusterte Aufklärungsflugzeug Breguet Atlantic ersetzen. Jetzt sucht man nach einer neuen Lösung.
Beemelmans ist ein enger Vertrauter des Ministers, und der hatte eine Diskussion über den Drohneneinsatz losgetreten. Zum finanziellen Verlust kommt ein Imageschaden dazu. Die Opposition fühlt sich darin bestätigt, dass de Maizière voreilig war und dass man unbemannte Flugzeuge besser in Europa entwickeln sollte.
Genug Lehrgeld gezahlt
Die Opposition hatte auf Aufklärung gedrängt. De Maizière sollte den Ausstieg aus dem Projekt nicht bis zur Bundestagswahl hinauszögern. Nun zog er die Reißleine - lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Von der Wehrreform erhofft er sich weniger Fehlinvestitionen. „Wir planen nur, was wir uns leisten können, wir beschaffen, was wir brauchen und nicht, was uns angeboten wird. Die Nutzungskosten werden von Beginn an einberechnet“, erläutert er seine Prinzipien. Gerade die letzten Tage hätten ihm gezeigt, dass das neue Bundesamt für Rüstung von Anfang an alle denkbaren Gesichtspunkte beim Kauf berücksichtigen müsse. Genug Lehrgeld wurde gezahlt.