Washington. . Das US-Justizministerium hatte Journalisten der Nachrichtenagentur AP ausgespäht. Die Behörde gibt sich seit Bekanntwerden der Abhöraktion zugeknöpft. Sie hatte 2012 nach mehreren Enthüllungen über die Regierung die Medien ins Visier genommen.
Was Adam Goldman und Matt Apuzzo am 7. Mai vergangenen Jahres meldeten, gehört im amerikanischen Journalismus in die Kategorie „scoop“ – exklusive Enthüllung. Die Rechercheure der Nachrichtenagentur „Associated Press“ (AP) berichteten darüber, wie El Kaida um den ersten Todestag von Osama bin Laden mittels eines Passagierflugzeugs einen Bombenanschlag auf die USA verüben wollte – und wie der Auslandsgeheimdienst CIA den Plan vereitelte. Ein Jahr später stellt sich heraus: Die Journalisten und etliche ihrer Kollegen waren bei ihrer Arbeit nicht allein. Das US-Justizministerium hat zwei Monate lang heimlich die Verbindungsdaten von über 20 Telefonanschlüssen von AP-Büros und Redakteuren abgehört. Chefredakteurin Kathleen Carroll sagte gestern in einem Interview, rund 100 Mitarbeiter seien von der Schnüffelei betroffen gewesen.
Ein Staatsanwalt hat den Vorgang jetzt nachträglich bestätigt. AP-Chef Gary Pruitt spricht von einem „beispiellosen Eingriff“ in die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit. Er fordert Justizminister Eric Holder auf, alle Daten an AP zurückzugeben und sämtliche Kopien zu vernichten.
Undichte Stellen in der Regierung
Die Behörde gibt sich seit Bekanntwerden der Abhöraktion zugeknöpft, laviert zwischen Bekenntnissen zur Pressefreiheit und der Notwendigkeit, „unsere Strafgesetze effektiv anzuwenden“. Gemeint ist die verbotene Weitergabe sensibler Daten, die die nationale Sicherheit betreffen könnten. Obama-Sprecher Jay Carney hat jede Beteiligung des Weißen Hauses an der Lauschaktion abgestritten. Medienverbände und Bürgerrechtsorganisationen wie die ACLU haben daran Zweifel. Sie verweisen auf diverse Enthüllungsgeschichten aus dem Jahr 2012, in denen die Rolle Obamas als oberster Entscheider im umstrittenen Drohnenkrieg und bei der Sabotage des iranischen Atomprogramms durch den Virus Stuxnet außerordentlich detailliert geschildert wurde. Obwohl die Berichte den Präsidenten in ein vergleichsweise positives Licht rückten, kritisierte Obama die auf undichte Stellen im Regierungsapparat zurückgehenden Veröffentlichungen scharf.
Justizminister Holder gab im Sommer Untersuchungen in Auftrag, um die Lecks zu schließen. Dem Vernehmen nach gehörte das Abschöpfen von redaktionellen Dienstgeheimnissen bei AP dazu. In der Regel müssten betroffene Medienhäuser rechtzeitig vorher informiert werden, bevor sensible Daten von Mitarbeitern abgegriffen und in strafrechtlichen Ermittlungen benutzt werden, heißt es in der „Washington Post“. Im aktuellen Fall hielten sich die Ermittler nicht daran. Ronald Machem, zuständiger Staatsanwalt in Washington, begründete dies in einem Brief an die AP-Spitze damit, dass andernfalls die „Vollständigkeit der Ermittlungen“ bedroht gewesen wäre. Für die Obama-Regierung ist der Abhör-Skandal eine zusätzliche Belastung.