Berlin. .

Er behauptet, die Linke habe glatt sein ganzes Rentenprogramm abgeschrieben. „Deswegen muss ich nicht gleich herüberrennen“, hat Klaus Wiesehügel mal gesagt. „Langfristig sehe ich bei denen kein Potenzial“. Das erkannte der IG-Bau-Chef nun beim SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Für den zieht er jetzt an führender Stelle in den Wahlkampf: im Kompetenzteam. Wiesehügel soll die Arbeiter, die Gewerkschaften, die Stammwähler der SPD ansprechen.

Die Mannschaft – wohl zwölf Leute, zur Hälfte Frauen – nimmt Konturen an. Dass der SPD-Fraktionsmanager Thomas Oppermann für die innere Sicherheit zuständig sein soll, hatte man erwartet. Gesche Joost gilt als Internetexpertin, ein Signal an die Netzgemeinde. Über das Team raunte man sich seit Tagen in der SPD zu, „da ist ein Hammer dabei“.

Dieser Hammer ist Wiesehügel, 60 Jahre alt, ein in der Wolle gefärbter Sozi, Kritiker der Agenda 2010 und noch mehr der Rente mit 67. „Man wirft mir ja immer vor, ich sei ein Betongewerkschafter“, sagt er. Das ist der Mann aus Mülheim, buchstäblich. Er hat Betonbauer gelernt, und schon der Vater war übrigens Bauarbeiter.

Zum ersten Mal bekommt man ein Gefühl dafür, was Steinbrück unter Beinfreiheit versteht. Erst stoppte er die Debatte über ein Tempolimit und damit SPD-Chef Sigmar Gabriel; in Berlin hatten viele darauf gewartet. Und nun Wiesehügel, ein Mann mit Stallgeruch. Ein Gewerkschaftschef gilt seither als die Idealbesetzung für die Themenfelder Arbeit und Soziales. Anfang Januar, als viele über den SPD-Kandidaten herzogen — über seine Redehonorare, seine Klagen über das zu niedrige Kanzlergehalt – da nahm Wiesehügel ihn in seinem Blog in Schutz: „Peer Steinbrück hat Recht. Aber das ist in unserer Welt der Politik nicht unbedingt der richtige Weg zum Erfolg. Recht haben und den Medien zu gefallen, das sind zwei verschiedene Dinge.“

Vom Rand in dieMitte der Partei

Man brachte die zwei Sozialdemokraten indes nicht unbedingt zusammen. Steinbrück galt als wirtschaftsnah, als Verteidiger der Agenda 2010 und der Rente mit 67. Wer genau hinschaute, bemerkte, wie die SPD, auch Steinbrück, der Kritik nachgab. Wiesehügel rückte vom Rand – in der Ära Schröder – in die Mitte der Partei. „Viel zu lange hatte Schröders Basta- und Müntes „Schaut-her-ich-werde-auch-nicht-alt-Politik die Debatte verhindert“, bloggt Wiesehügel im September 2009. Es bereitet ihm Genugtuung. „Ich habe ja hart diskutiert mit denen“, damals in der Schröder-Ära. „Die haben alle gesagt, sie seien vom Schröder-Kurs überzeugt. Das schaffe Arbeit. Heute ist es wieder anders. Herrlich, wie geschmeidig die Leute sind“, bemerkte er süffisant in der „Welt am Sonntag.“ Gewinnt Rot-Grün, dürfte der Mann ins Kabinett rücken. Eigentlich wollte die IG Bau auf dem Gewerkschaftstag Anfang September – vor der Wahl – in Berlin ihre Führung bestimmen. Man ist gespannt darauf, ob Wiesehügel als Gewerkschaftschef aufhört oder mit Rückfahrticket in die Politik geht.

Wiesehügel ist auch ein Mann nach dem Geschmack Gabriels, aber es ist Steinbrücks Personalie. Sie lenkt nebenbei von der Debatte der letzten Tage ab. Zum ersten Mal war deutlich geworden, worüber viele munkelten: dass Steinbrück und Gabriel nicht harmonieren. Gabriel macht sein Ding. Sein Vorstoß für ein Tempolimit 120 war nur ein Beispiel unter vielen. Gabriel erkannte schnell, dass er sich in eine Sackgasse manövriert hatte und schob in „Bild“ nach: „Sicherheit braucht Vorfahrt, mehr wollte ich nicht sagen.“ Gestern nun gehörten die Schlagzeilen wieder allein dem Kanzlerkandidaten.Und Klaus Wiesehügel.