München. .

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer ist mächtig angefressen: Die bayerische „Abgeordnetenaffäre“ zieht immer weitere Kreise, jetzt sind neben etlichen Abgeordneten bereits sechs Mitglieder seines Kabinetts bekannt, die nahe Angehörige auf Staatskosten beschäftigt haben. Für die CSU kommt die Affäre zur Unzeit, schließlich wird in Bayern am 15. September gewählt.

Am tiefsten gefallen ist bislang Georg Schmid: Vom CSU-Fraktionsvorsitzenden, Landtagsabgeordneten und CSU-Kreischef wurde der 60-Jährige innerhalb weniger Tage auf Null gebracht: Am Mittwochabend verkündete Schmid, der wegen seiner leutseligen Art auch „Schüttelschorsch“ genannt wurde, den Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Landtag sowie auf den Vorsitz des CSU-Kreisverbands Donau-Ries.

Ehefrau und zwei Söhne im Altervon 13 und 14 Jahren beschäftigt

Schmid hatte eingeräumt, als Landtagsabgeordneter seine Frau 23 Jahre lang auf der Basis eines Werkvertrags beschäftigt und ihr monatlich bis zu 5500 Euro plus Mehrwertsteuer bezahlt zu haben. Ein weiterer krasser Fall: Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Landtags Georg Winter beschäftigte nicht nur seine Frau, sondern auch seine beiden Söhne, die zu Vertragsbeginn erst 13 beziehungsweise 14 Jahre alt waren. Das Landtagsamt überprüft derzeit noch die Rechtmäßigkeit von Winters „Familienbetrieb“. Den Verzicht auf den Ausschussvorsitz hat der Abgeordnete bereits erklärt.

Inzwischen greift die Affäre weiter um sich und erfasst auch Parlamentarier, die Verwandtenbeschäftigungsverhältnisse bereits vor Jahren beendet haben oder Verwandte zweiten oder dritten Grades beschäftigen. Für Bundestagsabgeordnete ist auch das tabu, nicht aber für bayerische Landtagsabgeordnete.

So wurden inzwischen weitere CSU-Parlamentarier vor den „Gerichtshof der öffentlichen Meinung“ (Oberreuter) zitiert. Dass die CSU-Kabinettsmitglieder Ludwig Spaenle (Kultus) und die Staatssekretäre Gerhard Eck und Franz Josef Pschierer ihre Ehefrauen aus ihrer steuerfinanzierten Abgeordnetenpauschale finanzierten, war bereits bekannt. Über das Jahr 2000 hinaus beschäftigten aber auch Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Justizministerin Beate Merk und Kultus-Staatssekretär Bernd Sibler Verwandte ersten und zweiten Grades. Sibler hat die Dienste sowohl seiner Mutter wie seiner Frau in Anspruch genommen, Justizministerin Merk hat nach eigenen Angaben zwischen 2010 und 2013 ihre Schwester für „Fachtexte“ aus Steuermitteln bezahlen lassen.

Die Kabinettsmitglieder trifft der gesteigerte Unmut ihres Chefs. Er könne nicht verstehen, ließ Ministerpräsident Horst Seehofer wissen, warum selbst Kabinettsmitgliedern die Wahrheit aus der Nase gezogen werden müsse.

Zunehmend erwischt die Suche nach weiteren politischen „Familienbetrieben“ aber auch Abgeordnete von Oppositionsfraktionen. So sollen neun SPD-Abgeordneten und zwei der Grünen Verwandte beschäftigt haben, ebenso zwei der Freien Wähler, unter ihnen Fraktionschef Hubert Aiwanger, der sich von seinem Schwager unterstützen ließ. Aiwanger verteidigte das Beschäftigungsverhältnis. Entscheidend sei, ob auch eine Leistung erbracht wurde, so Aiwanger: „Das ist der Knackpunkt“. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt witterte die Chance zu einem Entlastungsangriff gegen Vorwürfe des SPD-Landtagsspitzenkandidaten Christian Ude vom Vortag. „Ude und seine Spießgesellen Bause (Grünen-Fraktionschefin - d. Red) und Aiwanger haben sich als Heuchlerbande entlarvt“, so Dobrindt. Politikwissenschaftler Oberreuter bezweifelte allerdings, dass es der CSU gelingen werde, „Gleichstand in der Skandalisierung“ zu erreichen.

Grüne fordern Einsetzung einerunabhängigen Kommission

Die Grünen im Landtag forderten gestern die Einsetzung eines „unabhängigen Gremiums“, das alle Mitarbeiterverträge von Abgeordneten seit dem Jahr 2000 sichten soll. Damit solle die bisherige „Salami-Taktik“ beendet werden, erklärte deren Vorsitzende Margarete Bause. Als Kommissionsvorsitzenden schlug sie den Präsidenten des Obersten Rechnungshofs Fischer-Heidlberger vor.