Washington/Boston. Gegen den Terror-Verdächtigen Dschohar Zarnajew ist in Boston Anklage wegen des Gebrauchs von Massenvernichtungswaffen erhoben worden. Im Fall einer Verurteilung droht die Todesstrafe. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass dem schwer verletzten 19-Jährigen die Vorwürfe im Krankenhaus eröffnet worden seinen.

Der Bomben-Attentäter von Boston ist wegen einer Verschwörung angeklagt worden, bei der Massenvernichtungswaffen gegen Menschen und Eigentum zum Einsatz kamen. US-Justizminister Eric Holder zog das Strafverfahren am Montag auf die Bundesebene. Dschohar Zarnajew muss nach Lesart der Vorwürfe, zu denen auch das „böswillige Zerstören“ von Gebäuden mit Sprengstoff zählt, mit der Todesstrafe rechnen.

Die Anklage wurde dem 19-Jährigen auf der Intensivstation des Beth Israel Deaconess Krankenhauses in Boston im Beisein eines Pflichtverteidigers durch einen Richter verlesen.

Damit ist klar, dass der jüngere der beiden Attentäter des Marathonlaufs vor einer Woche vor ein ziviles Strafgericht gestellt und nicht, wie von vereinzelten Republikanern gefordert, wie ein „feindlicher Kämpfer“ nach Kriegsrecht behandelt wird. Konkret: Zarnajew, seit dem 11. September 2012 amerikanischer Staatsbürger, hat das Recht zu schweigen. Was er zurzeit gezwungenermaßen tut.

Angeklagter kann weiter nicht sprechen

Großfahndung in Boston

Wenige Tage nach den Anschlägen beim Boston Marathon kam es auf dem Gelände der Elite-Universität MIT nahe der Stadt Watertown zu einer Schießerei. Dabei starb ein Polizist. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd wurde der Verdächtige erschossen. Er soll einer der Attentäter beim Marathon gewesen sein. Ein weiterer Verdächtiger ist auf der Flucht. Die Polizei sucht nach dem Verdächtigen in Watertown mit SWAT- und FBI-Teams.Ein Polizist richtet sein Gewehr auf einen am Boden liegenden Mann in Watertown, Massachusetts.
Wenige Tage nach den Anschlägen beim Boston Marathon kam es auf dem Gelände der Elite-Universität MIT nahe der Stadt Watertown zu einer Schießerei. Dabei starb ein Polizist. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd wurde der Verdächtige erschossen. Er soll einer der Attentäter beim Marathon gewesen sein. Ein weiterer Verdächtiger ist auf der Flucht. Die Polizei sucht nach dem Verdächtigen in Watertown mit SWAT- und FBI-Teams.Ein Polizist richtet sein Gewehr auf einen am Boden liegenden Mann in Watertown, Massachusetts. © REUTERS
Das FBI-Team durchsucht ganz Watertown nach dem zweiten Verdächtigen. Dabei sprechen sie auch mit den Anwohnern.
Das FBI-Team durchsucht ganz Watertown nach dem zweiten Verdächtigen. Dabei sprechen sie auch mit den Anwohnern. © dpa
In einem Appartmenthaus vermuten die Polizisten den flüchtigen Verdächtigen.
In einem Appartmenthaus vermuten die Polizisten den flüchtigen Verdächtigen. © AFP
Das FBI veröffentlichte dieses Fahndungsfoto von dem gesuchten, mutmaßlichen Attentäter von Boston. Sein Name ist Dzhokhar Tsarnaev.
Das FBI veröffentlichte dieses Fahndungsfoto von dem gesuchten, mutmaßlichen Attentäter von Boston. Sein Name ist Dzhokhar Tsarnaev. © AFP
Zwei Beamte des SWAT-Teams gehen mit angehaltener Waffe in ein Wohnhaus.
Zwei Beamte des SWAT-Teams gehen mit angehaltener Waffe in ein Wohnhaus. © dpa
Die Nachbarschaft kooperiert mit einem FBI-Agenten.
Die Nachbarschaft kooperiert mit einem FBI-Agenten. © dpa
Ein FBI-Agent ruft seinen Kollegen Anweisungen zu.
Ein FBI-Agent ruft seinen Kollegen Anweisungen zu. © dpa
Weiträumig sicherte die Polizei die Stadt Watertown, um nach dem zweiten Verdächtigen zu suchen.
Weiträumig sicherte die Polizei die Stadt Watertown, um nach dem zweiten Verdächtigen zu suchen. © AFP
Auch das Einkaufszentrum wurde von Polizisten bewacht.
Auch das Einkaufszentrum wurde von Polizisten bewacht. © AFP
Ein FBI-Agent wartet auf weitere Anweisungen.
Ein FBI-Agent wartet auf weitere Anweisungen. © dpa
Eine alte Frau musste per Krankenwagen evakuiert werden. Die Polizei musste die Menschen in Watertown in Sicherheit bringen, als sie nach dem zweiten Flüchtigen suchte.
Eine alte Frau musste per Krankenwagen evakuiert werden. Die Polizei musste die Menschen in Watertown in Sicherheit bringen, als sie nach dem zweiten Flüchtigen suchte. © AFP
Ein Polizeihelikopter kreist über der Nachbarschaft in Watertown.
Ein Polizeihelikopter kreist über der Nachbarschaft in Watertown. © dpa
Mehrere Polizisten sondieren die Lage.
Mehrere Polizisten sondieren die Lage. © REUTERS
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © AFP
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Schwer bewaffnet sucht die Polizei in Watertown nach Verdächtigen.
Schwer bewaffnet sucht die Polizei in Watertown nach Verdächtigen. © REUTERS
Polizeiautos durchkämmen die Nachbarschaft rund um den Campus.
Polizeiautos durchkämmen die Nachbarschaft rund um den Campus. © dpa
Ein Polizist richtet seine Pistole auf einen am Boden liegenden Mann.
Ein Polizist richtet seine Pistole auf einen am Boden liegenden Mann. © REUTERS
Ein Mann liegt auf dem Boden. Die Polizei hatte Schusswaffen auf ihn gerichtet.
Ein Mann liegt auf dem Boden. Die Polizei hatte Schusswaffen auf ihn gerichtet. © REUTERS
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Die Polizisten richten ihre Waffen auf ein Haus, in dem sie einen Verdächtigen vermuten.
Die Polizisten richten ihre Waffen auf ein Haus, in dem sie einen Verdächtigen vermuten. © AFP
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Mit gepanzerten Fahrzeugen durchstreift die Polizei die Stadt. Für ganz Boston wurde eine Ausgangssperre verhängt.
Mit gepanzerten Fahrzeugen durchstreift die Polizei die Stadt. Für ganz Boston wurde eine Ausgangssperre verhängt. © dpa
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Die Polizei verhaftet einen Verdächtigen und legt ihm Handschellen an.
Die Polizei verhaftet einen Verdächtigen und legt ihm Handschellen an. © AFP
Ganz schnell muss es gehen, als die Polizei einen Verdächtigen ausmacht.
Ganz schnell muss es gehen, als die Polizei einen Verdächtigen ausmacht. © AFP
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © AFP
Sicherheitskräfte warten an einem schwarzen Wagen darauf, dass sie die Gegend nach dem zweiten Verdächtigen absuchen können.
Sicherheitskräfte warten an einem schwarzen Wagen darauf, dass sie die Gegend nach dem zweiten Verdächtigen absuchen können. © AFP
Ein Bombenspezialist des Spezialteams bringt sich in Sicherheit nachdem er ein bisher undefiniertes Objekt kontrolliert gesprengt hat.
Ein Bombenspezialist des Spezialteams bringt sich in Sicherheit nachdem er ein bisher undefiniertes Objekt kontrolliert gesprengt hat. © Reuters
Ein Polizist überprüft die Tasche eines Radfahrers.
Ein Polizist überprüft die Tasche eines Radfahrers. © AFP
Die Polizei durchsucht ein Appartmenthaus in Watertown.
Die Polizei durchsucht ein Appartmenthaus in Watertown. © AFP
Die Anwohner werden evakuiert von der Polizei.
Die Anwohner werden evakuiert von der Polizei. © dpa
Schwer bewaffnet ziehen die Polizisten durch die Stadt Watertown und auch in Boston.
Schwer bewaffnet ziehen die Polizisten durch die Stadt Watertown und auch in Boston. © dpa
Einige Blocks entfernt von dem evakuierten Appartmenthaus warten die Anwohner.
Einige Blocks entfernt von dem evakuierten Appartmenthaus warten die Anwohner. © dpa
Anwohner schauen sich den Auflauf der Polizisten genau an und schießen Fotos.
Anwohner schauen sich den Auflauf der Polizisten genau an und schießen Fotos. © dpa
Mit einem Bombenspürhund suchen die Polizisten in Boston nach Sprengsätzen.
Mit einem Bombenspürhund suchen die Polizisten in Boston nach Sprengsätzen. © Reuters
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Eine Schusswunde im Rachen, die nach Polizeiangaben von einem Selbstmordversuch kurz vor seiner Festnahme herrührt, macht ihm das Sprechen unmöglich. Die Ermittler des Terroranschlags von Boston verhören den 19-jährigen Dschohar Zarnajew darum auf der Intensivstation des schwer bewachten Beth Israel Deaconess Krankenhauses schriftlich. „Er schreibt seine Antworten auf, wenn er zwischendurch wach ist“, sagte ein Fahnder dem Sender NBC.

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Eine Woche nach dem Bombenattentat, das der gebürtige Kirgise gemeinsam mit seinem in der ehemaligen Sowjet-Republik Tschetschenien geborenen Bruder Tamerlan (26) beim Marathonlauf in der Metropole an der US-Ostküste verübt haben soll, ist der Wissensdurst der Sicherheitsbehörden gewaltig. Woher hatten sie illegal Waffen und Sprengstoff? Stimmt es, dass sie nach Boston in New York ähnliche Anschläge verüben wollten? Hat ihnen bei der Vorbereitung der Tat jemand geholfen?

Ermittlungen konzentrieren sich auf Russland-Aufenthalt Zarnajews

Vorneweg steht weiter die unbeantwortete Frage nach dem Motiv. Die Ermittlungen konzentrieren sich hier auf einen längeren Russland-Aufenthalt des am vergangenen Freitag auf der Flucht bei einer Schießerei mit der Polizei ums Leben gekommenen mutmaßlichen Haupt-Attentäters Tamerlan Zarnajew. Das erste Halbjahr 2012 verbrachte der vor zehn Jahren mit seinen Eltern aus dem Kaukasus nach Amerika gekommene Student in der russischen Krisenrepublik Dagestan. Sein Vater Anzor lebt dort, seit er Amerika wegen einer schweren Krankheit vor zwei Jahren verließ.

Fahnder ermitteln nun, ob sich der zu dieser Zeit bereits strenggläubige und mit Amerika extrem fremdelnde Moslem in islamistischen Kreisen ideologisches und technisches Rüstzeug für den Anschlag in Boston geholt hat. Vater Anzor bezeichnete die Vermutung in Interviews als absurd. Sein Sohn habe Freunde und Verwandte besucht und ihm bei der Renovierung einer Wohnung geholfen, sagte er.

Dagegen stehen Aussagen von Angehörigen einer Moschee-Gemeinde im Bostoner Vorort Cambridge, wo Tamerlan zuletzt wohnte. Im Januar dieses Jahres sorgte der ehemalige Amateur-Boxer nach Berichten des „Boston Globe“ für einen Eklat, als er einen Imam während eines Gebets als „Kafir“ bezeichnete: als Ungläubigen. Zarnajew wurde darauf aus dem Gotteshaus geworfen. Ein in Maryland lebender Onkel des Attentäters, Ruslan Zarni, glaubt, dass radikale Islamisten Tamerlan einer „Gehirnwäsche“ unterzogen und so die Identitätsprobleme seines Neffen verstärkt haben.

FBI fand 2011 bei Tamerlan Zarnajew keine Indizien für Radikalisierung

Ins Fadenkreuz der Politik gerät unterdessen immer stärker die Bundespolizei FBI. Auf Drängen des russischen Geheimdienstes FSB hatten Bostoner FBI-Beamte Tamerlan und Familienangehörige 2011 intensiv befragt. Ausgangspunkt waren russische Befürchtungen, gespeist durch überwachte Internetaktivitäten, dass sich Zarnajew in der Kaukasus-Republik Tschetchenien dem islamistischen Untergrund zuwenden könnte.

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Das FBI fand nach eigenen Angaben dafür „keinerlei Indizien“. Anders als erwartet, nahm das FBI Tamerlan nach seiner Rückkehr aus Russland im vergangenen Sommer nicht mehr näher in Augenschein. Republikanische Kongressabgeordnete wie Michael McCaul und Peter King sehen darin ein eklatantes „Versagen der Geheimdienste“.

Bei dem Bombenanschlag auf den Marathonlauf kamen drei Menschen ums Leben, 180 wurden teilweise schwer verletzt. Bei der Flucht erschossen die Brüder einen Sicherheitsbeamten und verletzten mehrere Polizisten durch Rohrbomben. Sollte das Justizministerium in Washington die Anklage auf die Bundesebene ziehen, droht Dschohar Zarnajew die Todesstrafe. Im Bundesstaat Massachusetts, in dem Boston liegt, ist sie abgeschafft.