Boston. Großfahndung, ein toter Verdächtiger und einer auf der Flucht: Nach dem Terroranschlag auf den Boston-Marathon überschlagen sich die Ereignisse. Laut US-Medien fahnde die Polizei nach einem dritten Verdächtigen. Bei den Tätern soll es sich um junge Männer aus dem Kaukasus handeln.
Vier Tage nach dem Terroranschlag auf den Boston-Marathon ist einer der beiden mutmaßlichen Bombenleger nach einer wilden Verfolgungsjagd getötet worden. Nach Recherchen von US-Medien handelt es sich bei den Tätern um ein möglicherweise aus Tschetschenien/Ex-Sowjetunion stammendes Brüder-Paar. Andere Quellen nennen Kirgistan und Russland als Herkunftsstaaten.
Regierung in Tschetschenien weist Verbindung zu Terrorverdächtigen zurück
Das frühere Kriegsgebiet Tschetschenien im russischen Nordkaukasus hat am Freitagnachmittag eine Verbindung zu den Terrorverdächtigen zurückgewiesen. "Die Personen, die in Boston des Verbrechens beschuldigt werden, haben zu Tschetschenien keinerlei Beziehungen", sagte Alwi Karimow, der Sprecher von Republikchef Ramsan Kadyrow, der Agentur Interfax.
Die jungen Männer hätten im Kindesalter die islamisch geprägte Konfliktregion verlassen.
Polizei warnt Medien
Derweil warnen die amerikanischen Sicherheitsbehörden die unzähligen Fernsehteams vor Ort, ihre Arbeit durch die Übertragungen zu erschweren. "Warnung: Gefährden Sie nicht die Sicherheit der Beamten, indem Sie ihre taktischen Positionen der durchsuchten Häuser im Fernsehen zeigen", hieß es von den Ermittlern per Twitter.
Die Täter
Bei dem Getöteten handele es sich um den 26-jährigen Tamerlan Tsarnaev, bei seinem flüchtigen Bruder um den 19-jährigen Dzokhar Tsarnaev. Falls sich die Informationen bestätigen, kamen die beiden vor etwa einem Jahr in die USA und hatten einen legalen Aufenthaltsstatus. Dzhokar hatte ein Stipendium für die High School. Sie wohnten in Cambridge, in unmittelbarer Nähe zum Marathon-Tatort.
Die Suche nach Dzokhar Tsarnaev in der Umgebung der Ostküstenmetropole lief auf Hochtouren.
Polizei verhängt Ausgangssperre für ganz Boston
Die Polizei mahnte die Bevölkerung zu äußerster Vorsicht. Der Flüchtling sei gefährlich und bewaffnet - möglicherweise trage er eine Bombe am Körper. Zuvor war auf dem Campus der US-Elite-Universität MIT nahe Boston ein Sicherheitsbeamter erschossen worden.
Bei der Suche nach dem Terrorverdächtigen hat die Polizei inzwischen die Ausgangssperre auf die gesamte Großstadt ausgeweitet. "Bitte bleiben Sie zu Hause, schließen Sie die Tür ab und öffnen Sie nur Menschen, die sich eindeutig als Polizisten identifiziert haben", sagte Gouverneur Deval Patrick am Freitagmorgen (Ortszeit).
"Bitte bleiben Sie geduldig und arbeiten Sie mit uns zusammen", sagte ein Polizist. "Wir machen gerade entscheidende Fortschritte, aber das könnte noch Stunden anhalten." Die Situation sei sehr ernst und jeder solle sie so behandeln. "Bitte befolgen Sie die einfachen Regeln. Wir brauchen die Öffentlichkeit, bleiben Sie in Sicherheit."
Bostoner Harvard-Universtität geschlossen
Die Jagd auf die Terrorverdächtigen hatte weite Teile der Ostküstenmetropole zum Erliegen gebracht. Der Nahverkehr wurde mitten im beginnenden Berufsverkehr komplett unterbrochen. Im Vorort Watertown, dem Schwerpunkt des Polizeieinsatzes, durften auch keine Privatautos fahren oder Geschäfte öffnen. Anwohner wurden aufgerufen, in ihren Häusern zu bleiben. Die Harvard-Universität im Vorort Cambridge blieb ebenfalls geschlossen.
Auch der Luftraum über der Metropole Boston ist gesperrt worden. In Boston würden keine Flüge ankommen und abgehen, meldete CNN. Bereits am Montag direkt nach dem Anschlag auf den Boston Marathon war der Luftraum gesperrt worden, kommerzielle Flüge zum internationalen Logan Airport waren aber weitergegangen
Die Polizei von Boston durchsuchte jedes einzelne Haus in Watertown nach dem Verdächtigen. Die Ermittler teilten per Twitter mit, dass uniformierte Beamte von Tür zu Tür gehen würden.
Mutmaßlicher Attentäter bei Schießerei von extrem vielen Kugeln getroffen
Die beiden Verdächtigen sind nach Polizeiangaben kurz vor dem Attentat am Montag im Zieleinlauf des Marathons mit einem Rucksack gefilmt worden. Nach Informationen des Fernsehsenders CNN erlag der Mann nach einer wilden Verfolgungsjagd in der Ortschaft Watertown nahe Boston im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Nach Angaben von Ärzten wurde er von extrem vielen Kugeln getroffen. Die Zahl der Einschüsse sei "nicht zu zählen gewesen", sagte ein Krankenhausarzt. Die Polizei empfahl der Bevölkerung dringend, in ihren Häusern zu bleiben und ausschließlich Polizeibeamten zu öffnen, die sich eindeutig ausweisen könnten.
Polizist stirbt nach Schießerei an Bostoner Elite-Uni
Zu der Verfolgungsjagd kam es nach dem Tod eines Polizisten der US-Eliteuniversität Massachusetts Institute of Technology (MIT). Der Beamte war dort wegen einer Ruhestörung gerufen und dann erschossen worden. Die genauen Hintergründe waren zunächst unklar.
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Bei dem Anschlag auf den Marathon am Montag waren drei Menschen getötet und 180 verletzt worden. Am Donnerstagabend hatte die Polizei dann erstmals Fotos der Verdächtigen veröffentlicht, die kurz vor dem Terroranschlag am Montag am Tatort aufgenommen wurden. Sie zeigen zwei junge Männer mit Rücksäcken, in denen sie vermutlich den Sprengstoff transportierten. Aus den Krankenhäusern der Stadt verlautete, auch von den Schwerverletzten würden wohl alle überleben. Die Genesung könne aber Jahre dauern.
Eine der verwendeten Bomben bestand aus einem Schnellkochtopf, der mit einem Zünder versehen war und neben Schwarzpulver auch Nägel und Metallteile enthielt. Teile des Topfdeckels wurden CNN zufolge auf einem Hausdach in der Nähe der Ziellinie gefunden. Ob auch die zweite Bombe aus einem Schnellkochtopf gebaut war, war noch unklar.
US-Präsident Obama: "Die Bombe kann uns nicht besiegen"
US-Präsident Barack Obama hatte am Donnerstag bei einem Trauergottesdienst die Amerikaner aufgerufen, dem Terror zu trotzen. "Die Bombe kann uns nicht besiegen. Wir machen weiter", sagte er am Donnerstag bei einem Trauergottesdienst in der Kathedrale von Boston.
Zugleich machte Obama klar, dass der Staat mit aller Härte reagieren und die Verantwortlichen vor den Richter bringen werde. "Wir werden Euch finden. Wir werden Euch zur Rechenschaft ziehen."
Im Gedenken an die Opfer von Boston sollen die Teilnehmer des London-Marathons an diesem Sonntag schwarze Armbinden tragen. Außerdem werde man vor Beginn des Laufs eine Schweigeminute einlegen, sagte die britische Kultur-Staatssekretärin Maria Miller am Donnerstag. (dpa)