Hagen.
Schwere Verkehrsverstöße auf deutschen Autobahnen und Straßen bleiben für ausländische Autofahrer in den meisten Fällen ohne Folge. Jedes Jahr können allein 2,3 Millionen Geschwindigkeitsübertretungen, die Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen zuzuordnen sind, nicht geahndet werden. Das ist bei insgesamt 11,6 Millionen Temposünden immerhin jede fünfte.
Grund: Verkehrssünden werden nur über die Grenzen weniger Staaten hinweg verfolgt – Belgien, Holland und Österreich zählen dazu.
Auch Ausländer, die am Steuer mit dem Handy telefonieren, kommen in jährlich 45 000 Fällen ohne Geldbuße davon – das sind zehn Prozent der 450 000 Verstöße dieser Art, die im deutschen Straßennetz auffallen. Zudem wird ein erheblicher Teil der Missachtung von Rotlicht an Ampelkreuzungen von Fahrern mit ausländischem Kennzeichen begangen, ohne dass sie zahlen müssen.
Die Bundesregierung hat diese Daten jetzt erstmals bei zentralen Bußgeldstellen abgerufen und hochgerechnet. Berlin braucht sie als Grundlage für ein Gesetz, das es deutschen Dienststellen ermöglicht, Verkehrssünder aus dem Ausland schneller zur Verantwortung zu ziehen. Die Behörden nutzen dann die europäische Datenbank Eucaris und schicken „Informationsschreiben“, in denen sie zur Stellungnahme zu den Vorwürfen auffordern.
Vor allem bei Temposündern sind die Verkehrsfahnder zur Hilflosigkeit verdammt. Hier sei die „Zahl der geahndeten ausländischen Verkehrsteilnehmer verschwindend gering beziehungsweise gleich Null“. Der ADAC hält die Schätzung für realistisch. Sein Jurist Michael Niessen glaubt deshalb, dass vor allem deutsche Behörden von den neuen Regeln, die europaweit gelten sollen, profitieren: „Wenn deutsche Autofahrer im Ausland Verkehrssünden begehen, geben deutsche Behörden die Daten schon bisher bereitwillig heraus. Umgekehrt ist das nicht so. Aus Italien bekommen sie keine Antwort.“ Dennoch müssten auch deutsche Autofahrer damit rechnen, bald schneller abkassiert zu werden.