Washington. . US-Präsident Barack Obama hat die Mehrheit für schärfere Waffengesetze verfehlt. Im Senat geriet er so außer sich, dass er die Gegner der Reform als Lügner beschimpfte. Es ist die größte Niederlage seit seiner Wiederwahl.
Barack Obama ist ein Ausbund an Selbstkontrolle. Selbst in heiklen Situationen versagt sich der amerikanische Präsident emotionale Ausbrüche und harsche Rhetorik. Nicht so nach der jüngsten Abstimmung im Senat zu den seit Monaten kontrovers diskutierten Vorschlägen über ein moderat schärferes Waffenrecht. „Beschämend“ nannte Obama im Lichte des Schulmassakers von Newtown das Ergebnis. Der Waffen-Lobby „National Rifle Association“ (NRA) unterstellte er vor laufender Kamera zum ersten Mal „absichtsvolles Lügen“.
Zuvor hatte das „Oberhaus“ des US-Parlaments ein zuvor überparteilich abgestimmtes Maßnahmen-Bündel niedergestimmt. Weder wird es ein Verbot von halbautomatischen Sturmgewehren und Magazinen mit großem Fassungsvermögen geben, noch eine härtere Bestrafung von Waffenkäufen durch Strohmänner, noch eine bessere Kontrolle von Waffenkäufen im Internet wie auf Waffen-Messen.
90 Prozent der Amerikaner wollten Kontrollen
Auch das in Umfragen zuletzt von 90 % der Amerikaner befürwortete Herzstück der Reform – die universelle Überprüfung von potenziellen Waffenkäufern („Background Check“), um Vorbestraften oder psychisch Kranken den Zugriff auf Schusswaffen zu erschweren – scheiterte am erforderlichen Quorum von 60 der insgesamt 100 Stimmen. Stellvertretend für die Gegner sagte der republikanische Senator Chuck Grassley: „Kriminelle werden sich von Hintergrund-Checks nicht abhalten lassen.“
Als Vize-Präsident Joe Biden als Vorsitzender des Senats das Ergebnis verkündete, kam es im Capitol zu seltenen Szenen. „Schande über euch“, rief Lori Haas von der Besuchertribüne in den Saal. Ihre Tochter war beim Massaker an der Universität Virginia Tech 2007 erschossen worden. Patricia Maisch, Überlebende des Amoklaufs von Tucson/Arizona 2011, hielt den Senatoren vor, „weder Leidenschaft noch Seele“ zu haben.
Parteifreunde ließen Obama im Stich
Dabei waren es nicht allein die rechtskonservativen Vertreter der Republikaner, die Obamas Bestrebungen gerne pauschal als verfassungsfeindlich bezeichnen und jegliche Einschränkung des Waffenrechts ablehnen. Vier von ihnen, darunter der einflussreiche John McCain, einst Präsidentschaftskandidat, schlugen sich sogar auf die Seite des Weißen Hauses. Dagegen versagten vier Senatoren der demokratischen Partei Obama die Gefolgschaft. Sie stammen aus ländlich geprägten Bundesstaaten wie Montana, North Dakota, Arkansas und Alaska, wo der Waffenbesitz als beinahe „heilig“ gilt.
Obama warf den Nein-Sagern sichtlich verärgert vor, aus Angst vor dem Mandatsverlust „vernünftige“ Reformen blockiert zu haben. Der NRA, die seit dem Massaker von Newtown Mitte Dezember mit Millionen-Aufwand öffentlich gegen Verschärfungen des Waffenrechts polemisiert, warf Obama „Lügen“ vor. Die NRA hatte unter anderem behauptet, Obama plane im Stile eines Überwachungsstaats ein nationales Waffen-Register – das Gegenteil ist ausweislich des gescheiterten Gesetzentwurfes der Fall.
Für den Präsidenten ist es eine persönliche Niederlage
Für Obama ist der Ausgang der Abstimmung die bislang größte politische Niederlage seiner zweiten Amtszeit. Seit dem 26-fachen Mord an einer Grundschule in Connecticut im vergangenen Dezember hatte der Präsident viel politisches Kapital eingesetzt. In über einem Dutzend Reden im ganzen Land warb er eindringlich für eine moderate Verschärfung und Vereinheitlichung der lückenhaften und von Bundesstaat zu Bundesstaat höchst unterschiedlichen Waffengesetze.
Im Beisein von emotional erschütterten Opfer-Eltern von Kindern der Sandy Hook-Grundschule in Newtown kündigte Obama in Washington an, den Kampf für ein neues Waffenrecht trotz der Niederlage nicht aufzugeben. „Dies war nur die erste Runde. Früher oder später werden wir das Richtige tun. Die Erinnerungen an die Kinder von Newtown verpflichten uns dazu.“