Rom. .
Pier Luigi Bersanis Sozialdemokraten, Silvio Berlusconis „Volk der Freiheit“, Beppe Grillos „Fünf-Sterne-Bewegung“ – bis heute haben sich die drei großen Blöcke im römischen Parlament auf keine Koalition geeinigt. So steht Italien fast zwei Monate nach der Wahl noch immer ohne Regierung da. Nun soll die Wahl eines neuen Staatspräsidenten die Dinge in Bewegung bringen.
Zwar läuft die Amtszeit des fast 88-jährigen Giorgio Napolitano erst am 15. Mai aus. Da er aber trotz seiner hohen, unumstrittenen persönlichen Autorität die Parteien bisher nicht zur Zusammenarbeit bringen konnte und keine rechtlichen Möglichkeiten mehr hat, einen Ausweg aus der Krise zu weisen, wurde die Wahl seines Nachfolgers vorgezogen. Heute soll die 1007 Köpfe zählende Wahlversammlung zusammenkommen. Wann der „Neue“ feststeht, ist offen: Mancher Präsident wurde schon im ersten Wahlgang gewählt, andere brauchten dafür 23.
„Bella figura“ im Ausland
Zwar wird formal eine Respektsperson gesucht, die das Land und den Politikbetrieb zusammenhält und die für Italien vor der Weltöffentlichkeit auch dann „bella figura“ macht, wenn die gerade Regierenden dazu nicht taugen. Dahinter aber zählten diesmal andere Kriterien. Die Parteien fragten sich in erster Linie, unter welchem Kandidaten welcher Ausweg aus dem politischen Patt zu erwarten wäre.
Eine Große Koalition zwischen Sozialdemokraten und Berlusconi? Eine Minderheitsregierung unter Pier Luigi Bersani? Eine technisch-politische Übergangsregierung mit einem inhaltlich und zeitlich knapp bemessenen Mandat? Oder Neuwahlen sofort? Alles scheint möglich.
Die Interessen aber liegen sehr unterschiedlich. Gerade innerhalb Bersanis „Partito Democratico“ ist offener Streit ausgebrochen. Somit ist keineswegs gesichert, dass die Sozialdemokraten einheitlich abstimmen werden – auch wenn sie als zahlenmäßig größter Block in der Wahlversammlung das Vorschlagsrecht haben.
Parteichef Bersani will unbedingt Premier werden. Aus eigener Kraft schafft er es nicht, das gibt die Sitzverteilung im Parlament nicht her; die „Grillini“ verweigern sich einer Koalition; die Bildung einer „instabilen“ Minderheitsregierung hat Noch-Präsident Napolitano nicht zugelassen. Bliebe nur ein Bündnis mit Berlusconi. Um sich den Weg dorthin nicht zu verbauen, musste Bersani nach einem Kandidaten suchen, der auch dem rechten Lager genehm ist. Und Berlusconi reagierte positiv: Sollte er seine eigenen Bedürfnisse „garantiert“ sehen, werde er eine Minderheitsregierung Bersanis dulden.
Streben die Sozialdemokraten nach einer Regierung von Berlusconis Gnaden – also nach einem Bündnis, das bis vor Kurzem noch undenkbar schien – dann kämen gleich zwei Kandidaten für das Amt des Präsidenten in Frage: Giuliano Amato und Massimo D’Alema. Beide haben als Minister und Regierungschefs ihre politische Erfahrung, beide sind lagerübergreifend angesehen, beide sind Berlusconi genehm und gleichzeitig im Ausland vorzeigbar.
Streben die Sozialdemokraten aber nach dem Bruch, nach der Entthronung des verhinderten Wahlsiegers Bersani, nach Neuwahlen, dann müssen sie Romano Prodi wählen. Auch er, der frühere Präsident der EU-Kommission, gilt als möglicher Kandidat – aber Prodi ist der einzige Linke, der Berlusconi bei Parlamentswahlen geschlagen hat, und das gleich zweimal: 1996 und 2006. „Wenn Prodi Staatspräsident wird, wandern wir aus“, sagte Berlusconi denn auch. Dann gebe es Neuwahlen, „und ich führe in den neuesten Meinungsumfragen!“, setzte er hinzu.
Grillo will die Linke spalten
Dann gibt es noch die „Fünf-Sterne-Bewegung“, die die TV-Journalistin Milena Gabanelli zu ihrer Kandidatin kürte. Echte Chancen hat sie nicht; Beppe Grillos eigentlicher Coup aber bestand darin, gleich hinter ihr den 80-jährigen Verfassungsrichter Stefano Rodotà zu nominieren, der auch für viele Sozialdemokraten attraktiv ist. Grillo legt es also auf die Spaltung von Bersanis Mannschaft an.
In den ersten drei Wahlgängen ist die Zweidrittelmehrheit nötig. Hier haben nur Amato und D’Alema eine Chance. Ab dem vierten Wahlgang reicht die absolute Mehrheit; sollten die Sozialdemokraten geschlossen abstimmen, müssten sie für einen Sieg lediglich neun Abgeordnete anderer Parteien gewinnen. Das könnte die Stunde Romano Prodis sein .