Berlin. .

So was passiert. Aber es darf nicht passieren. Angriffe auf Politiker sind der Alptraum der Bodyguards. So wie am Montag in Hannover, als mehrere Frauen kreischend bis auf nur wenige Meter an den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel herankamen. Die Frauen waren halbnackt, das war ihre Waffe. Aber was wäre passiert, wenn sie einen Revolver, ein Messer oder etwa Sprengstoff dabei gehabt hätten? Wären die Personenschützer noch schnell genug eingeschritten?

Die Leibwächter werden den Vorfall beim traditionellen Rundgang durch die Messe nachbereiten, wie immer. Auch wenn die Öffentlichkeit das Ergebnis wohl nie erfahren wird. „Wir äußern uns dazu nicht“, erklärte das Bundeskriminalamt (BKA) auf Anfrage unserer Zeitung. Eine Sprecherin schob noch nach: „Aus Sicherheitsgründen.“

Mehrere hundert Bodyguards sind für die Sicherheit der Politiker zuständig. Sie sollen ihren Job so diskret wie möglich verrichten und der Person zugleich aber Freiheiten lassen. Es gibt auch Politiker, die ganz auf den Schutz verzichten. Das wird dann vom BKA akzeptiert. Es sind auch schon mal Politiker ausgebüchst, einfach so. Um allein zu sein. Im Urlaub. Solche Fluchten aus einem sonst kontrollierten Alltag sind die große Ausnahme.

Wer geschützt wird, das hängt vom Status und vor der Gefährdung ab. Merkel ist nie allein unterwegs. Sie ist eine so genannte Einser-Person. Sie gehört zum ganz kleinen Kreis hochrangiger Politiker mit Rund-um-die-Uhr-Kommando. Offiziell: „Gefährdungsstufe 1“. Der Kreis ihrer Personenschützer kann schnell 20 Beamte umfassen. Sie bleiben in der Regel auch lange. Es ist wichtig, dass die Chemie stimmt. Beim früheren Verteidigungsminister Peter Struck achtete man darauf, dass seine Bodyguards Motorrad fuhren. Und wer den ehemaligen Außenminister überwachte, der musste auch beim Joggen mithalten.

Die BKA-Leute sitzen in Berlin-Treptow und sind - wie in Hannover - auch für die Sicherheit der Gäste zuständig. Gewöhnlich bilden sie einen Ring um die Person, die sie schützen. Er hat sich in Hannover nur einmal geöffnet: Für die Fotografen. Aus dem Pulk heraus sprangen die Frauen. Vorher waren sie nicht aufgefallen. Weil man die (nackte) Protestform der feministischen Aktivisten von „Femen“ schon kennt, habe er die Situation auch nicht als „bedrohlich“ empfunden, erzählt uns einer aus dem Merkel-Tross.

Man muss sich die Situation vor Augen führen: Die zwei Politiker besuchten 20 Stände. Schmale Gänge, dichtes Gedränge, Mitarbeiter, Gäste, Journalisten. Da kann immer etwas passieren. Merkels Vorgänger Gerhard Schröder bekam mal in Mannheim eine Ohrfeige von einem Passanten verpasst. Beim Bad in der Menge hat jemand 2010 in Freiburg Merkel und Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy mit einer Wasserpistole bespritzt. Die Gefahren lauern überall. Am schlimmsten ist es im Wahlkampf. Da ist Volksnähe Pflicht. Kein Zufall, dass zwei böse Attentate - auf Wolfgang Schäuble und Oskar Lafontaine - bei Wahlkampfauftritten passierten.

Es sind genau die Situationen, in denen Politikern wie Beamten ihre Dauergefährdung bewusst wird.

Ein Rest-Risiko bleibt immer.