Washington.. Dass sie schön ist, stellt sie bei jedem öffentlichen Auftritt unter Beweis. Jetzt ziert Amerikas First Lady, Michelle Obama, den April-Titel der amerikanischen „Vogue“. Die einen feiern sie dafür als Stilikone – wie einst Jackie Kennedy – andere überschütten die 49-jährige Juristin deswegen mit Häme.
Courtland Milloy verehrt die erste Frau im Staate. Umso größer war die Verwunderung, als der Kolumnist der „Washington Post“ kürzlich eine Brandrede an die Adresse von Michelle Obama richtete. „Genug mit Brokkoli und Rosenkohl, ganz zu schweigen von all dem Gewese um ihre Oberarme, ihr Haar, ihr Hinterteil und ihre Designer-Kleider.
Wo ist die intellektuell beschlagene Princeton-Absolventin, wo die in Harvard ausgebildete Anwältin und Förderin des Mannes, der zum ersten afro-amerikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten werden sollte?“ Milloy und mit ihm andere wünschen sich die First Lady als politische Kraft, als Sachwalterin des jungen, schwarzen Amerikas. Oder als Kandidatin für den Obersten Gerichtshof. Aber nicht auf den Titelbildern von Mode-Magazinen.
Sie hat noch die Hosen an
Genau da sorgt die 49-Jährige wieder für Schlagzeilen. Mit Garderobe von aufstrebenden Designern. Zum zweiten Mal seit dem Einzug der Obamas ins Weiße Haus hat die zweifache Mutter „Vogue“ Modell gesessen. Auf dem Cover der von Obama-Gönnerin Anna Wintour geführten Mode-Bibel schaut den Käufer der April-Ausgabe eine sorgfältig von Star-Fotografin Annie Leibovitz in Szene gesetzte First Lady an. Der possierliche Text im Heftinneren atmet konstante Bewunderung und enthält keine smalltalktaugliche Sensationen.
Ja – die Obamas versuchen immer noch, ihre allmählich flügge werdenden Töchter Sasha und Malia zu Menschen zu erziehen, die nicht durch das präsidiale Trara deformiert werden. Ja – die Obamas pfeifen noch immer auf das Society-Leben am Potomac und ziehen ihre Freunde aus Chicago vor. Ja – Michelle hat (immer noch) die Hosen an im Haus und erdet den Commander-in-Chief.
Schon bevor die „Vogue“ in die Kioske kam, rollten die Nörgelwellen heran – meist weibliche. „Hat nur noch gefehlt, dass sie über den roten Teppich geht“, ätzte die frühere Stabschefin von Laura Bush, Anita McBride, über den weltweit beachteten Auftritt von Frau Obama bei der Oscar-Verleihung im Februar. Peggy Noonan, die einst für Ronald Reagan Reden schrieb, verspritzte ihr Gift im „Wall Street Journal“. „Ich vermisse die Michelle Obama von früher, als sie schön war, ein bisschen unbeholfen und noch unentschlossen über ihre neue Rolle. Heute ist sie Glamour und Star. Und wie alle Stars glaubt sie, wir seien fasziniert.“ Nicht ganz daneben.
Knutschende Obamas
Seit Obamas Wiederwahl nimmt das ganze Land eine Frau wahr, die ihre öffentliche Rolle offensiver und politischer lebt. Nur ein Beispiel: Bei der traditionellen Rede zur Lage der Nation saßen in ihrer Loge Nate und Cleopatra Pendleton. Die Eltern einer 15-Jährigen aus Chicago, die bei einer Schießerei unter Drogen-Gangs irrtümlich erschossen worden war. Wenige Blocks entfernt vom Chicagoer Domizil der Obamas. Ein Statement, das jede Mutter im Land verstand: Wenn es Hadiya treffen kann, kann es jedes Kind treffen. Wir müssen endlich was tun. Gegen diese verfluchten Waffen.
Diszipliniertes Training
Reduziert zu werden auf ihre durch diszipliniertes Training schlanken “First Arme“ oder ihre neue Frisur ist Michelle Obama gleichgültig. „Mein Pony setzt ein nationales Gespräch in Gang. Meine Schuhe können eine nationale Diskussion entfachen. So ist das eben.“ Mit ihr habe das weniger zu tun, mehr mit der im Zeitalter von neuen Medien immer stärker fragmentierten Aufmerksamkeit. Auch bei der Sache mit Hillary. Hillary Clinton?
Nicht wenige Demokraten könnten sich sehr gut vorstellen, dass 2016 mit der Ex-Außenministerin und der dann Ex-Präsidenten-Gattin Michelle Obama eine weibliche Doppelspitze ins Rennen um das Weiße Haus geht. Aufkleber für die Autostoßstangen, die für ein Clinton-Obama-Gespann werben, gehen schon heute weg wie warme Semmeln. „Beide Frauen sind erfahrene Führungsfiguren, die Kinder großgezogen haben“, sagt Karen Finney, einst Sprecherin der demokratischen Partei. „Mit dem störrischen Kongress fertig zu werden, wäre für sie eine Fingerübung.“ Und für Courtland Milloy eine schöne Bestätigung.