Athen.

Bangen und Hoffnung auf Zypern: Das Schicksal der vom Staatsbankrott bedrohten Inselrepublik hing gestern am seidenen Faden. Eine zyprische Regierungsdelegation unter Führung von Staatspräsident Nikos Anastasiadis verhandelte fieberhaft in Brüssel mit der EU-Spitze über ein Rettungspaket.

Seit Monaten verhandelt Zypern mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Hilfskredite, ohne Ergebnis. Die Lage spitzte sich dramatisch zu, als das zyprische Parlament am vergangenen Dienstag mit großer Mehrheit die Forderung der EU und des IWF abschmetterte, Zypern solle sich mit einer Zwangsabgabe auf Bankeinlagen an dem Hilfspaket beteiligen. Mit der Eigenbeteiligung soll verhindert werden, dass Zyperns Staatsschulden durch die Hilfskredite eine untragbare Größenordnung erreichen.

„Plan B“ überzeugte die EU nicht

Ein von der zyprischen Regierung hernach präsentierter „Plan B“, der vorsah, die Eigenmittel mit einem „Solidaritätsfonds“ aufzubringen, überzeugte die EU nicht. Auch der Plan der Zyprer, ihre Rentenkassen zu verpfänden, fand keine Zustimmung. Gegen Ende vergangener Woche wurde immer deutlicher, dass es ohne eine Zwangsabgabe auf Bankkonten, wenn auch in modifizierter Form, nicht gehen wird. Nachdem zunächst alle Einlagen belastet werden sollten, was auch die Kleinsparer getroffen hätte, wird jetzt diskutiert, nur Guthaben über 100.000 Euro, der in der EU garantierten Höhe, zu der Abgabe heranzuziehen. Im Gespräch ist ein Abzug von 20 Prozent auf Einlagen bei der Bank of Cyprus, dem größten Geldinstitut des Landes, das besonders viele Gelder ausländischer Kunden verwaltet, darunter Russen, Briten und Libanesen. Über Einzelheiten wurde aber gestern noch intensiv verhandelt. Für Zypern ist das eine bittere Pille. Die Insel, die in der Vergangenheit fast die Hälfte ihres Bruttoinlandsprodukts mit Finanzdienstleistungen erzielte, dürfte als Finanzplatz ausgespielt haben, wenn es zu der Zwangsabgabe kommt. Die Alternative wäre aber die Staatspleite.

Die Angst der Menschen wächst

Unterdessen wächst die Verunsicherung der Menschen auf der Insel - und die Angst vor einem drohenden Zusammenbruch von Banken, Wirtschaft und Staat, sollten die Brüsseler Gespräche scheitern. Turbulenzen dürfte es so oder so geben. Am vergangenen Freitag hatte das zyprische Parlament ein Gesetz über Kapitalverkehrskontrollen verabschiedet - der erste Fall dieser Art in der Geschichte der Währungsunion. Mit dem Gesetz versucht sich Zypern für einen möglichen Ansturm auf die Banken zu wappnen, wenn die seit neun Tagen geschlossenen Geldinstitute voraussichtlich am Dienstag wieder öffnen. Bankkunden könnten dann versuchen, ihre gesamten Guthaben abzuheben oder Gelder ins Ausland zu schaffen - mit der Gefahr, dass Zyperns ohnehin schwer angeschlagene Banken binnen weniger Stunden zusammenbrechen. Das Gesetz ermächtigt den Finanzminister und die zyprische Notenbank, Barauszahlungen und Überweisungen zu reglementieren, die Eröffnung neuer Konten zu beschränken oder zu verbieten, fällige Festgelder zu verlängern und Girokonten in Termingelder umzuwandeln. Das Gesetz gibt dem Finanzminister und der Zentralbank die Handhabe, jedwede Kontrollmaßnahme zu ergreifen, die sie für notwendig halten, unter den gegebenen Umständen die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Ein solches „Ermächtigungsgesetz“ hat es in der Geschichte der Währungsunion bisher nicht gegeben.

Parlamentsbeschluss überflüssig?

Das Gesetz soll nicht nur einen Bank Run verhindern. Es könnte der Regierung auch aus einer Bredouille helfen: Nachdem das Parlament am Dienstag die Zwangsabgabe auf Bankguthaben abschmetterte, ist es fraglich, ob das Abgeordnetenhaus der Inselrepublik einem in Brüssel ausgehandelten Kompromiss, der erneut einen Schnitt auf Einlagen vorsehen dürfte, überhaupt zustimmt. Rechtsexperten in Zypern äußerten nun die Ansicht, mit dem bereits verabschiedeten Kontrollgesetz könne die Regierung eine solche Abgabe per Verordnung erheben, ohne neuerliche Zustimmung des Parlaments.