Hamburg. Was die Quote betrifft, war der jüngste tatort ein Riesenerfolg. „Willkommen in Hamburg“ lockte 12,57 Millionen Zuschauer vor den Fernseher und polarisierte: Lob und Kritik halten sich die Waage.
Man findet ihn prima oder fürchterlich – Grautöne sucht man in der Beurteilung von Til Schweiger vergeblich. Wer so polarisiert wie Deutschlands berühmtester Nuschler, lockt die Massen vor den Fernsehapparat: 12,57 Millionen Zuschauer sahen ihn am Sonntagabend als heldenhaften Haudrauf in „Willkommen in Hamburg“ – so viele Menschen haben sich seit 20 Jahren nicht mehr vor einem „Tatort“ versammelt. Manfred Krug und Charles Brauer, das legendäre Duo Stoever und Brockmöller, brachte es 1993 mit seinen pfiffigen Ermittlungen auf 12,83 Millionen, die launigen Münsteraner Axel Prahl und Jan Josef Liefers kletterten letzten November knapp über die Zwölf-Millionen-Marke. Nur Fußball übertrifft solche Werte.
ActionreicheVariante
Was die ARD aufmerksam registriert hat: Mehr als 5,2 Millionen aus der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen waren dabei. Ein Publikum, das die private Konkurrenz den öffentlich-rechtlichen Sendern an den meisten Abenden vorzieht, aus dem sich allerdings nahezu alle Schweiger-Fans rekrutieren. Und das sich mit einem Polizisten, der abdrückt statt zu verhaften eher anfreunden kann als die Generation, die mit Derrick-Verhören zum Likörchen groß geworden ist.
„Besonders erfreulich ist die Resonanz bei den Jüngeren“, ließ NDR-Intendant Lutz Marmor gestern denn auch gleich verlauten. Es sei schön, „dass der ,Tatort’ um eine actionreiche Variante mit einer modernen tempogeladenen Bildsprache reicher ist“. Das Wagnis habe sich gelohnt, fügte er hinzu, ohne zu erklären, worin das Wagnis überhaupt bestand.
War es denn eine Überraschung, dass Deutschlands kommerziell erfolgreichster Kinostar als neuer „Tatort“-Kommissar in Bruce-Willis-Manier und auf den Spuren von Schimanski eine solche Quote schaffen würde? Eher nicht. Selbst dem verkopften Dortmunder Jörg Hartmann sahen fast neun Millionen bei der Bewältigung seiner Probleme zu. Nicht einmal die inflationäre Ausbreitung auf mittlerweile 21 Ermittlerteams haben der Beliebtheit der Marke Schaden zufügen können. Der „Tatort“ ist Deutschlands Sonntagabend.
Und hatte Til Schweiger selbst nicht alles unternommen, um im Vorfeld in ungezählten Interviews Reklame für sich zu laufen? Die Titelmusik sei altbacken, hatte er genölt und damit gleich mal gegen ein Heiligtum getreten. Die Sender müssten mehr Geld für die Serie spendieren, hatte er gefordert, und dass sein Tatort der teuerste ist, versteht sich von selbst. Sogar seinen Drehbuchnamen hatte er ändern lassen, Tschiller fand er besser als Tschauder, warum auch immer.
Die deutschen Feuilletons, über die Schweiger regelmäßig meckert, weil sie ihn regelmäßig rupfen, gingen erstaunlich wohlwollend mit seiner Tatort-Premiere um, nur „Spiegel online“ und „Focus online“ verspritzten Säure. Vielleicht trieb manchen auch die Sorge, sich so zu blamieren wie 1981, als man sich republikweit über Schimanskis Proll-Gebölke erboste und ihm keine Zukunft im TV voraussagte.
Die Meinungsflut in den sozialen Netzwerken teilt sich hälftig in Lob und Kritik: Kalt gelassen hat dieser Ballermann keinen, auch wenn sein lustiger Spielgefährte Fahri Yardim mehr Sympathiepunkte sammelte. 5300 Kommentare landeten am Sonntag bis Mitternacht auf der Tatort-Facebookseite, doppelt so viele wie üblich. Natürlich mangelt es nicht an Wortspielen mit Blick auf Schweigers erfolgreichste Filme: „Nach Keinohrhasen und Zweiohrküken jetzt Dreischussleichen“ twitterte ein Witzbold. Schweiger wird’s gut finden.