Essen. . Kritiker monieren, Benedikt XVI. habe mit seinem Rücktritt das Amt entzaubert. Dabei hat sich das Bild des Papstes schon seit den 60er Jahren drastisch verändert. So war Papst Paul VI. der erste, der 1964 für eine Reise ins Heilige Land Italien verließ – und dafür ein Flugzeug bestieg. Ein Rückblick zum Start des Konklave.

Ein Papst ist permanent in der Öffentlichkeit präsent, er jettet um den Erdball, schreibt Bücher, spricht mit Journalisten, twittert neuerdings sogar. Normal?

Wer nicht zu jener Generation gehört, die während der insgesamt 35 Jahre dauernden Pontifikate unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. herangewachsen ist, der mag kaum ermessen, wie weltentrückt sich das Papsttum noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gab – und wie sehr sich das Amt in den letzten 50 Jahren verändert hat.

Die Reisen

Als Papst Paul VI. im Dezember 1963 ankündigte, er bereite sich auf eine dreitägige Reise ins Heilige Land vor, war dies so etwas wie eine Revolution im Vatikan: Seit 150 Jahren hatte kein Papst italienischen Boden verlassen. Und als der Heilige Vater im Januar 1964 Richtung Israel aufbrach, war er der erste Papst, der in ein Flugzeug stieg.

Als, gut 40 Jahre später, Johannes Paul II. 2005 starb, hatte er auf 250 Pastoralreisen 128 Länder besucht und dabei etwa 1,3 Millionen Kilometer zurückgelegt. Benedikt, der beim Amtsantritt deutlich älter war als sein Vorgänger, besuchte in knapp acht Jahren immerhin 24 Staaten.

Symbole der Macht

Nur 33 Tage regierte Papst Johannes Paul I. im Vatikan. Doch diese wenigen Wochen bis zu seinem plötzlichen Tod reichten ihm, um das öffentliche Bild seines Amtes kräftig zu entstauben. Als erster Vatikan-Chef der Neuzeit verzichtete er auf die bis dahin obligatorische prunkvolle Krönung mit Tiara und Sänfte. Zudem war er der erste Papst, der in offiziellen Schreiben für sich selbst nicht mehr die Anrede „Wir“ wählte, sondern „Ich“. Er ersparte der Schweizergarde den Kniefall.

Statussymbole wie Pfauenwedel und Baldachin hatte bereits sein Vorgänger Paul VI. einmotten lassen. Doch es war Benedikt XVI., der gewissermaßen die haute couture in den Vatikan brachte: Kurz nach Amtseinführung sorgte er für Aufsehen, als er zu seinem liturgischen Zeremoniengewand rote Schuhe aus dem Hause Prada trug. Später zeigte Benedikt sich mit Sonnenbrille (angeblich von Gucci) oder mit Baseball-Kappe.

Der Papst und die Medien

Bis zum Amtsantritt Johannes Paul I. 1978 regierte der Papst weitgehend abgeschottet hinter den vatikanischen Mauern. Nur wenig drang nach draußen, Journalisten gelang kaum einmal ein Blick hinter die Kulissen. Was der 33-Tage-Papst Johannes Paul I. nur anstoßen konnte, nämlich eine Politik größerer Offenheit, setzte sein Nachfolger Johannes Paul II., der erste Pole auf dem Stuhl Petri, umso vehementer fort. Karol Woytila war ein medialer Superstar, er galt als der „große Kommunikator“ im Vatikan.

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Er machte Messen mit Hunderttausenden Gläubigen in Stadien und auf öffentlichen Plätzen zu TV-Ereignissen, spannte die Massenmedien für seine Botschaften ein, parlierte bei Reisen in der Papst-Maschine locker mit Journalisten an Bord. Johannes Paul II. war die vielleicht meistfotografierte und -gefilmte Persönlichkeit der Geschichte. Als sein Nachfolger Benedikt Jahre später vier deutsche TV-Journalisten zum Interview in den Vatikan lud, setzte er diese mediale Öffnung fort. Dass er seine Botschaften per Kurznachrichtendienst Twitter unters Volks brachte, bescherte ihm viel Lob.

Der Abschied

Als Papst Paul VI. am 6. August 1978 in Castel Gandolfo starb, kam die Todesnachricht für die Welt überraschend. Über den Gesundheitszustand des Heiligen Vaters ließ der Vatikan kaum etwas an die Öffentlichkeit gelangen. Entsprechend musste man sich auf Spekulationen und Gerüchte stützen.

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Welch ein Unterschied zu Johannes Paul II.. Der schwer an Parkinson erkrankte Papst machte sein Leiden demonstrativ öffentlich, zeigte sich, schwer gezeichnet von der Krankheit und des Sprechens unfähig, vom Fenster aus den Menschen auf dem Petersplatz. Das hatte es nie zuvor gegeben.

Auf ganz andere Weise schlug auch Benedikt XVI. ein neues Kapitel auf – indem er als erster Papst der Neuzeit seinen Rücktritt einreichte. Kritiker sagten, Benedikt habe das Papst-Amt damit „entzaubert“.