Berlin. . Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lässt verschiedene Modelle berechnen, Bundeskanzlerin Angela Merkel lenkt ab und die Reformer fordern eine steuerliche Gleichbehandlung schwuler Ehen. Die Union ist unter Druck.

Wolfgang Schäuble hat eine Bringschuld. Bereits letzten Montag versprach der Finanzminister im CDU-Präsidium, bis zur Sommerpause Modelle für ein „Familiensplitting“ vorzulegen. Auch im Juni, spätestens Juli dürfte das Verfassungsgericht ein Urteil zur Homo-Ehe verkünden. In Berlin rechnet man damit, dass schwule Paare nicht länger vom steuerlichen Ehegattensplitting ausgeschlossen werden. Es wäre das Ende einer Diskriminierungspraxis.

Über Schäubles Motive wird gerätselt. Bereitet er sich vor, um auf Karlsruhe reagieren zu können? Oder betreibt er eine Verzögerungstaktik? Ende Juni tagt der Bundestag zum letzten Mal. Was auch immer seine Beamten dem Finanzminister vorrechnen werden, es käme zu spät, um die Gesetze vor der Wahl im Herbst zu ändern. Damit wollen sich immer weniger Koalitionsabgeordnete abfinden.

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Druck und Drohungen

Eine Gruppe von CDU-Politikern um Jens Spahn spielt mit der Idee eines Gruppenantrags von Parlamentariern aller Parteien. Die offizielle Linie der Union – Urteil abwarten – würden sie faktisch umgehen. Die FDP stachelt die Vorkämpfer für die Gleichstellung der Homo-Ehe an. „Wir sind als Abgeordnete nicht gewählt, um Urteile der Gerichte entgegenzunehmen, sondern um selbst Politik zu gestalten “, sagte Generalsekretär Patrick Döring der FAZ am Sonntag. Seine Partei habe aus „Koalitionsräson“ oft gegen die steuerrechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften gestimmt. Döring: „Ich kann mir kaum vorstellen, dass die FDP ein weiteres Mal so abstimmt“.

Radikalumbau als Finte

Die Einbeziehung der Homo-Ehe ins Ehegattensplitting würde, so schätzen Schäubles Beamte, 300 Millionen Euro im Jahr kosten. Kanzlerin Angela Merkel hat mit einem Machtwort eine rasche Korrektur verhindert. Die Debatte über ein weiterführendes Familiensplitting ließ sie laufen. Das wäre kompliziert, zeit- und kostspielig.

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Man müsste „Millionen Paaren massiv die Steuern erhöhen“, so FDP-Vizechef Christian Lindner. Alle bekannten Vorschläge seien „entweder nicht bezahlbar oder entlasten Spitzenverdiener zu Lasten von Normalverdienern“. Und Merkels Machtwort: ein „Ablenkungsmanöver“.

Teure Reform

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt die Mehrkosten eines Familiensplittings auf 1,5 bis 13 Milliarden Euro – je nach Modell. Sie kämen auf die 20 Milliarden Euro drauf, die dem Fiskus schon aufgrund des Ehegattensplittings entgehen. Grob beschrieben: Beim Ehegattensplitting wird das Einkommen gleichmäßig auf Mann und Frau verteilt und dann versteuert – so ist garantiert, dass alle Ehepaare mit gleichem Einkommen auch die gleiche Steuer bezahlen, unabhängig davon, wie dieses Einkommen intern verteilt ist. Beim Familiensplitting wird diese Methode um die Zahl der Kinder im Haushalt erweitert – je mehr, desto größer der Vorteil.