Mit einer neuen Parteiführung und einer neuen Ausrichtung als “Partei des Mittelstands“ und des “mitfühlenden Liberalismus“ zieht die FDP in den kommenden Bundestagswahlkampf. Für diesen Kurs erhielt Parteichef Philipp Rösler am Wochenende großen Zuspruch des Bundesparteitages in Berlin. Der Vorsitzende wurde mit knapp 86 Prozent im Amt bestätigt.

Berlin (dapd). Mit einer neuen Parteiführung und einer neuen Ausrichtung als "Partei des Mittelstands" und des "mitfühlenden Liberalismus" zieht die FDP in den kommenden Bundestagswahlkampf. Für diesen Kurs erhielt Parteichef Philipp Rösler am Wochenende großen Zuspruch des Bundesparteitages in Berlin. Der Vorsitzende wurde mit knapp 86 Prozent im Amt bestätigt. Damit musste er aber einen deutlichen Dämpfer von fast zehn Punkten weniger gegenüber 2011 hinnehmen, als er Außenminister Guido Westerwelle als Parteichef ablöste.

Nicht mehr in der Parteispitze vertreten ist Entwicklungsminister Dirk Niebel, der für seine zu Jahresbeginn geäußerte Kritik an Rösler abgestraft wurde. Auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr schaffte es nicht in das Präsidium. Neu hineingekommen ist indes der frühere FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Er hatte sein Amt Ende 2011 hingeschmissen, danach aber ein überraschend gutes Ergebnis für die Liberalen in Nordrhein-Westfalen eingefahren und damit eine Trendwende eingeleitet. Dafür wurde er mit 78 Prozent zum ersten Stellvertreter von Rösler gewählt.

Der FDP-Chef zeigte sich zum Abschluss mit dem Parteitag hoch zufrieden. Es sei gelungen, sich personell und inhaltlich gut für die Bundestagswahl im Herbst aufzustellen. Gelassen reagierte Rösler auf die anhaltend schlechten Umfragewerte für seine Partei. Diese sollten nicht überbewertet werden, sagte er mit Blick auf die schlechten Vorhersagen und das gute Abschneiden der Liberalen bei vergangenen Landtagswahlen. "Ziel ist, die Regierungsverantwortung zu halten - in dieser Koalition", fügte der FDP-Parteichef und Vizekanzler hinzu.

Offiziell bestätigt wurde am Sonntag als zweiter Wahlspitzenmann Rainer Brüderle, der für seine kämpferische Rede auf dem Parteitag langanhaltenden Beifall bekam. Er schwor die 59.000 FDP-Mitglieder auf einen engagierten Wahlkampf ein: "An sofort ziehen wir den blau-gelben Kampfanzug an", sagte er und erklärte den Wahltag 22. September zum "Freiheitstag". Dann sei mit der FDP "Freiheit wählbar". Zuvor hatte Rösler bereits die FDP als Korrektiv in der schwarz-gelben Koalition herausgestellt.

Scharfe Angriffe richtete der FDP-Fraktionschef auf SPD und Grünen, denen er die Regierungsfähigkeit absprach. "Wir überlassen nicht diesen Fuzzis unser Land", empörte er sich und nannte als Beispiele mutmaßlicher rot-grüner Unfähigkeit den Pannenflughafen in Berlin und den Streit über das Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21". Dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück sprach er wirtschaftlichen Sachverstand ab, die Grünen bezeichnete er als politische Irrläufer.

Bereits am Samstag hatte Rösler offenkundig einen politischen Schwenk eingeleitet. Man dürfe die Alltagsprobleme der Menschen von Arbeitsplatz bis Familienbetreuung nicht vergessen, mahnte er. Zudem sprach sich Rösler für eine Art Mindestlohn aus, rief zu einer Einigung in der Koalition zur Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe auf, forderte mehr Bildung sowie Betreuung schon im frühkindlichen Bereich. Damit will er rechtzeitig zur Bundestagswahl das Image der FDP als Partei der sozialen Kälte abstreifen.

Für Rösler ist neben der inhaltlichen Weichenstellung auch die personelle Neuaufstellung wichtig. Dabei wurde neben Lindner Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur zweiten Stellvertreterin gewählt. Sie erzielte mit 83,7 Prozent eines der besten Wahlergebnisse.

Bei der Kampfkandidatur für den dritten Stellvertreterposten konnte sich der sächsische Landeschef Holger Zastrow gegen die baden-württembergische Landesvorsitzende Birgit Homburger durchsetzen. Im zweiten Durchgang, bei dem die relative Mehrheit ausreichte, erhielt Zastrow 49,7 Prozent, auf Homburger entfielen 48,5 Prozent. Sie wurde später mit 63,8 Prozent als Beisitzerin ins Präsidium gewählt.

Neu im Präsidium ist der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Er setzte sich gegen Gesundheitsminister Bahr durch. Bestätigt im Amt wurde schließlich Patrick Döring, der mit 65,6 Prozent aber eines der schlechtesten Ergebnisse eines Generalsekretärs seit Jahrzehnten verbuchte.

Zum Abschluss des Parteitages stritten die Delegierten noch über Mindestlöhne, die Brüderle als flächendeckendes Instrument ablehnte. Zugleich konstatierte er aber Handlungsbedarf in bestimmten Regionen und Branchen. Auch FDP-Generalsekretär Döring mahnte, die FDP müsse jenen Arbeitnehmer eine Antwort geben, die keine Tarifautonomie erlebten.

Dem widersprachen vor allem die Jungliberalen, die durch ein "Lohndiktat" nur eine weiter steigende Jugendarbeitslosigkeit befürchten. Die sich teilweise widersprechenden Anträge wurden später "gleichberechtigt" zur weiteren Beratung in die Parteigliederungen verwiesen. Erst auf dem Parteitag im Mai soll nun ein Modell der FDP zu Lohnuntergrenzen vorgelegt werden.

dapd