Rom. .

Silvio Berlusconi fühlt sich ausmanövriert. Vom verhinderten Wahlsieger, dem Sozialdemokraten Pier Luigi Bersani, trennt ihn zwar weniger als ein halber Prozentpunkt der Wählergunst, aber die Linken lehnen es radikal ab, mit Berlusconi über die von ihm verlangten „großen Absprachen“ zu verhandeln. Das hat der Parteivorstand jetzt einmütig bekräftigt. Zusätzlich sieht sich Berlusconi wieder einmal von der Justiz „eliminiert“: Ein Mailänder Gericht hat ihn gestern wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zu einem Jahr Haft verurteilt.

Berlusconi hatte im Jahr 2005 – da war er Regierungschef – das Protokoll einer polizeilichen Telefonabhörung zugespielt bekommen. Im Kontext einer umstrittenen Bankenfusion zeigte es einen führenden Sozialdemokraten („Gehört uns jetzt ’ne Bank?“) in schlechtem Licht. Das Protokoll stammte aus geheimen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft; Berlusconi ließ es dennoch in der Tageszeitung seines Bruders Paolo, „Il Giornale“, veröffentlichen.

Folgen wird das Urteil nicht haben

Folgen wird das Mailänder Urteil nicht haben; es ist eines jener erstinstanzlichen Sentenzen, die entweder sofort kassiert werden oder verjähren. In einem anderen Fall, wo es in Rom um Steuerhinterziehung und Schwarzgeldkonten ging, ist Berlusconi hingegen am Mittwoch letztinstanzlich freigesprochen worden. Das Mailänder Appellationsurteil zum zweiten Teil jener Affäre ist für die nächsten Tage zu erwarten; die Mailänder hatten Berlusconi in erster Instanz zu vier Jahren Haft und zu fünf Jahren Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern verurteilt.

Für 18. März – und das steigert Berlusconis Nervosität sichtlich – wird außerdem das erstinstanzliche Urteil im Mailänder Bunga-Bunga-Prozess erwartet, wo es um Prostitution mit Minderjährigen und um Amtsmissbrauch geht.

Auf der politischen Bühne versuchen Bersanis Sozialdemokraten – zurzeit noch vergeblich – die „Fünf-Sterne-Bewegung“ von Beppe Grillo wenigstens für eine zeitlich und thematisch begrenzte Koalition weichzuklopfen. Einen „Plan B“ sagte Bersani mit Rückendeckung seiner Partei gebe es nicht; sollte Grillo ablehnen, blieben nur Neuwahlen.

Zu den acht Lockangeboten Bersanis an Grillo gehören unter anderem der Druck auf die EU, zugunsten einer neuen Wachstumspolitik „mehr Elastizität“ bei den öffentlichen Finanzen zuzulassen, die Verkleinerung des Parlaments und die Einführung von Mindestlöhnen (Grillo will ein Bürgergeld von 1000 Euro für alle).

Grillo indes lehnt weiterhin jedes Bündnis mit etablierten Parteien ausdrücklich ab: „Diese Regelung mussten alle in unserer Bewegung unterschreiben. Da gibt es nichts zu entscheiden.“ Ohne seinerseits Vorschläge für eine regierungsfähige Mehrheit zu machen, droht Grillo den Politikern: „Ich habe die ganze Wut der Bürger in meiner Bewegung kanalisiert. Sie müssen uns dankbar sein. Wenn wir scheitern, wird Italien von der Gewalt auf den Straßen geführt.“

Keine Ideen für einen Konsens

Regie bei der italienischen Regierungsbildung führt der 87-jährige Staatspräsident und Routinier Giorgio Napolitano. Doch auch für ihn zeichnet sich zwei Wochen nach der Wahl keine Handlungsmöglichkeit ab. Die großen Parteien, in deren Hand es läge, Vorschläge für einen Ausweg aus dem vom Wähler geschaffenen Patt zu machen, reden nicht miteinander. Inzwischen sind die zwei Parlamentskammern für Freitag kommender Woche zu ihrer konstituierenden Sitzung einberufen; es gibt nicht einmal Ideen für einen Konsens, wie die Präsidentschaften der beiden Häuser verteilt werden könnten. Und Napolitano kann mit den Konsultationen für die Regierungsbildung, so hat er es angekündigt, erst danach beginnen.