Düsseldorf. Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) will neue Wohnformen voranbringen. Die Förderung für zusätzliche stationäre Altenheime soll deshalb entfallen. Stattdessen sollen künftig erstmals Investitionen von Genossenschaften für Pflege-Wohngemeinschaften vom Land gefördert werden.

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen will keine zusätzlichen stationären Pflegeheime mehr fördern. Als Alternative sollen Kommunen wohnortnahe Unterstützungsangebote ausbauen, damit Pflegebedürftige länger im vertrauten Wohnumfeld leben können. Künftig sollen erstmals Investitionen von Genossenschaften für Wohngemeinschaften („Pflege-WG“) vom Land gefördert werden. Mit einem geänderten Landespflegerecht will Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) neue Wohnformen im Alter voranbringen.

Nach Angaben der Ministerin wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen in NRW von heute 550 000 auf 930 000 im Jahr 2050 fast verdoppeln. Derzeit werden 29 Prozent der Pflegebedürftigen stationär sowie 71 Prozent daheim versorgt. Insgesamt gibt es heute bereits 2200 stationäre Vollzeitheime mit knapp 180 000 Plätzen.

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Aber: „Wir können die Zahl der stationären Plätze nicht verdoppeln“, stellte Barbara Steffens klar. Zudem möchte der überwiegende Teil der älteren Menschen möglichst lange im vertrauten Wohnquartier leben. Steffens plant deshalb eine Verpflichtung der Städte zum Ausbau ambulanter Dienste. Dabei sollen die Gemeinden soviel investieren, wie sie sonst für die stationäre Pflege über die Sozialhilfe aufwenden müssten. Dabei räumt Nordrhein-Westfalen den Kommunen einen „Gestaltungsspielraum“ ein.

Jährliche Kontrollen gegen „Pflege-Dumping“

Steffens ließ erkennen, dass die neuen Wohngemeinschaften in der Altenpflege eine Gratwanderung sind. Die „WGs“ müssen die hohen baulichen Vorgaben der stationären Heime nicht erfüllen. „Es gibt aber kein Pflege-Dumping“, betonte Steffens. Dafür sollen jährliche Kontrollen sorgen. Bisher gelten für ambulant betreute Wohngemeinschaften dieselben Mindestanforderungen wie für Heime – ein Bad für zwei Personen. Künftig kann ein Duschbad mit WC für vier Personen ausreichen. Auch die ständige Anwesenheit einer Pflegekraft ist in einer solchen „WG“ im Gegensatz zum Heim nicht unbedingt erforderlich.

Sparpotenzial: 50 Millionen Euro

Die Gesundheitsministerin sieht dringenden Handlungsbedarf. Schließlich beziehen allein in Nordrhein-Westfalen jährlich 100 000 Personen erstmals die Pflegestufe 1. „Würde es in NRW gelingen, den Beginn der Pflegebedürftigkeit um durchschnittlich einen Monat zu verzögern, könnten jährlich 50 Millionen Euro an Kostenübernahme durch die Pflegeversicherung gespart werden“, rechnete Steffens vor. Eine Enquete-Kommission sieht durch alternative, betreute Wohnformen sogar die Möglichkeit, den Eintritt ins Heim um drei Jahre zu verschieben.

Einschließlich der geschätzt 450 000 Demenzkranken in Nordrhein-Westfalen werden 2030 insgesamt fast 1,5 Millionen Menschen an Rhein und Ruhr Pflegebedarf haben. Auch angesichts der drohenden Kostenwelle setzt Steffens „auf eine deutliche Stärkung von ambulanten Hilfsangeboten anstelle von zusätzlichen neuen Pflegeheimen“. Um Trägern bestehender Alten- und Pflegeheime die Modernisierung zu erleichtern, können sie künftig vier statt bisher zwei Prozent der Investitionskosten auf die Pflegesätze umlegen.

Infos zum „Nullwachstum“ bei stationären Pflegeheimen

In Kommunen sollen „Quartiersmanager“ Netzwerke zur Quartiersentwicklung steuern. Dafür erhalten sie Personalkostenzuschüsse aus dem Landesförderplan. Um stationäre Aufenthalte zu vermeiden, gehören künftig auch Einkaufsdienste, Nachbarschaftshilfen und Betreuungsdienste zur „kommunalen Daseinsvorsorge“. Als Ziel sieht Steffens ein „Nullwachstum“ bei stationären Pflegeheimen in NRW.