Essen. .

Die EU-Kommission setzt Deutschland in der Umweltpolitik unter Druck. Sie fordert Berlin auf, schnellstmöglichst in den Revierstädten Hagen, Dortmund, Duisburg und Essen, in der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf und in 28 weiteren deutschen Kommunen für sauberere Luft zu sorgen. Handelt die Bundesrepublik nicht, drohen hohe Strafzahlungen.

Im Visier: Die SUV

Vor allem die Freizeitwagen SUV sind im Visier. Das Landesamt für Umwelt und Naturschutz in Essen glaubt, dass deren Abgase einen Großteil der Schuld daran tragen - zumal sie einen hohen Verbrauch haben. Denn es geht um Stickstoffdioxid - kurz NO2 -, einen Schadstoff, der durch Dieselmotoren in die Luft gerät. Sein Anteil ist beim Dieselfahrzeug dreimal so hoch wie beim Benziner.

Braunes Gift

NO2 ist rotbraun, ein giftiges Gas aus der chemischen Gruppe der Stickoxide. Wer es hochkonzen-triert einatmet, bekommt Kopfschmerz und Schwindel. Langfristig schädigt es innere Organe. Konkret: die Atemwege. Es erhöht die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern und sorgt für schädlich wirkende Stoffe wie Ozon.

Gebrochene Zusage

Deutschland steckt in der Klemme. Es hat zwar zugesagt, eine EU-Norm aus dem Jahr 2008 zu erfüllen und die Stickstoffdioxid-Belastung bis 2015 zu senken. Es kann die Zusagen aber nicht einhalten. Im Gegenteil: Der Ausstoß dieser Schadstoffe ist gestiegen. Alleine an 36 von 50 Messstationen im Ruhrgebiet liegt die Belastung im Jahresmittel deutlich über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. In Dortmund, Hagen und Essen wurden 60 Mikrogramm gemessen. Die Kommunen haben bei der EU-Kommission eine Verlängerung der Frist um fünf weitere Jahre beantragt. Die Kommission erklärt in ihrem jüngsten Beschluss, dass sie der Verlängerung für 33 von 56 deutschen Regionen aber nicht zustimmen will.

Die Euro 6-Norm

Was passiert jetzt? Die EU erwartet, dass Deutschland umgehend weitere Luftreinhaltepläne vorlegt, die auch überzeugen. Auf den Rüffel hin muss Berlin eine „begründete Stellungnahme“ ausarbeiten. Peter Schütz vom Landesamt: „Die Umweltzone hilft hier nur wenig. Sie reduziert zwar den Feinstaub. Das tut sie erfolgreich. Die Zahl der Fahrzeuge mit einer roten Plakette sinkt stündlich. Aber beim Stickstoffdioxid haben wir ein Problem mit den Diesel-Pkw. Nur die Fahrzeuge, die mit Harnstoffkonvertern ausgestattet sind, erfüllen die Anforderungen“. Das ist die sogenannte Euro 6-Norm.

Langes Warten

Doch es wird sechs bis acht Jahre dauern, bis die ganze Flotte umgestellt ist. Tatsächlich räumt das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg, das die Statistiken führt, ein: „Von den 11,8 Millionen Diesel-Fahrzeugen in Deutschland sind erst 16 142 mit Euro 6 ausgestattet“, sagt Sprecher Stephan Immen. Das liege daran, dass dies die neuesten Filter seien - die Hersteller hätten sie bisher nur wenig ausgeliefert.

Die Reaktionen

Gesetzliche Vorgaben? Steuerförderung für die Beschaffung von Neuwagen? Noch sagt Berlin nicht, wie es das Problem lösen will. Die Umweltverbände fordern Radikaleres. Jens Hilgenberg vom BUND: „Die EU hat den zuständigen Behörden in Deutschland eine klare Watsche erteilt. Mit unausgegorenen Plänen lässt sich die Kommission nicht abspeisen. Wir fordern die Kommunen auf, sofort zu handeln und den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren“. Der ADAC dagegen setzt auf bessere Motortechniken, die Steuerförderung von Fahrzeugen mit niedrigen NO2-Emissionen und „grüne Welle“ bei der Ampelschaltung. Fahrverbote sieht auch das Umweltschutz-Landesamt skeptisch. Autos würden ausweichen. Das NO2 bliebe in der Luft.