Essen.. Die Autofahrer an Rhein und Ruhr müssen sich auf zahlreiche Staus auf den Autobahnen einstellen. „Straßen.NRW“ kündigt ein umfassendes Baustellennetz an, unter anderem der großflächige Ausbau der A40 zwischen Essen und Dortmund. Der Automobilclub warnt: NRW drohe im Stau zu ersticken.

Der Zustand der Straßen in Nordrhein-Westfalen ist dramatisch. Beinahe täglich werden Schäden entdeckt, die möglichst schnell behoben werden müssen. Jüngstes Beispiel Duisburg: Bei einer Routineuntersuchung auf der A59 hatten die Brückenkontrolleure von Straßen.NRW einen beschädigten Übergang zwischen zwei Fahrbahnplatten entdeckt. Die Folge: Auf der Berliner Brücke wurde diese Woche eine Baustelle eingerichtet. Seitdem staut sich der Verkehr. Wie an so vielen Stellen im Land.

In die Schlagzeilen geraten ist zuletzt vor allem das Autobahnkreuz Leverkusen. Nach der zeitweiligen Sperrung der benachbarten Rheinbrücke der Autobahn 1 für Lastwagen wird nun das Kreuz wegen einer maroden Brücke zur Baustelle. Ab morgen werden hier in beiden Fahrtrichtungen die Spuren verengt sein. Betroffen sind täglich rund 160 000 Fahrzeuge an diesem Knotenpunkt, angeblich der meistbefahrene Autoabschnitt im Land. Ab Sommer wird es auf der A52-Ruhrtalbrücke zwischen Mülheim und Essen Probleme geben, für drei Monate wird wegen der Sanierung des Bauwerks sogar die Fahrtrichtung Essen gesperrt.

Hohe Fahrzeugdichte

Geduld ist gefragt, nicht nur jetzt, vor allem in Zukunft. Bernd A. Löchter von „Straßen.NRW“ kündigt ein umfassendes Baustellennetz an: „Es wird auf jeden Fall noch viel passieren“. Die bekanntesten Projekte sind der großflächige Ausbau der A40 zwischen Essen und Dortmund, des Kölner Ringes und der Leverkusener Rheinbrücke, die bis 2020 neu gebaut werden soll. Gerade die maroden Brücken stellen das Land vor große Herausforderungen.

Laut „Straßen.NRW“ müssen für 3,5 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren „fast 400 Brücken saniert, verstärkt und teilweise neu gebaut werden“. Seit Jahren ist NRW laut ADAC-Bilanz mit weitem Abstand das Stauland Nummer 1. Nirgendwo stehen Fahrer so lange im Stau wie in NRW, nämlich über 53 000 Stunden im vergangenen Jahr.

Der Automobilclub plädiert angesichts der hohen Fahrzeugdichte, eines wachsenden Transitaufkommens und eines überlasteten Autobahnnetzes für einen Ausbau der Fernstraßen. Das Argument: NRW drohe im Stau zu ersticken und als Wirtschaftsstandort gelähmt zu werden.

Im Land der Blechlawinen - NRW ist Stauregion Nr.  1

Schwer zu glauben, aber es gibt tatsächlich eine Autobahn in Nordrhein-Westfalen, die immerzu freie Fahrt gewährt. Wer aus Essen kommt, oder vom Niederrhein, muss gar nicht lange fahren. Ein paar Kilometer reichen, und schon ist man da: Auf dem einzigen Autobahnabschnitt im Land, auf dem im vergangenen Jahr nicht eine einzige Stunde Stau gemeldet wurde. Aber leider ist die A 524, die vom Duisburger Süden als Zubringer der Autobahnen A3 und A 52 zum Breitscheider Kreuz führt, nur die ganz große Ausnahme, ansonsten ist NRW das Land der großen Blechlawinen.

Wenn der typische NRW-Autofahrer unterwegs ist und im Radio die alte Kraftwerk-Zeile „Fahrn, fahrn, fahrn, auf der Autobahn“ zu hören bekommt, muss er sich veräppelt vorkommen. Zumindest, wenn er, was ja nicht unwahrscheinlich ist, gerade mal wieder im Stau steht. Denn dass die Blechlawine in Nordrhein-Westfalen zum Alltag gehört, muss man hier niemanden erzählen

53.000 Stau-Stunden allein in 2012

Immer wieder erstaunlich ist allerdings das gewaltige Ausmaß: 82.000 gemeldete Staus, insgesamt 161.000 Stau-Kilometer sowie 53.000 Stau-Stunden allein in 2012. Es sind Horrorzahlen, die laut ADAC-Bilanz  von keinem anderen Bundesland auch nur ansatzweise erreicht werden. Zum Vergleich: Baden-Württemberg mit knapp 36.000 Stau-Stunden und Bayern mit knapp 94.000 Stau-Kilometern kommen mit weitem Abstand auf die zweithöchsten Werte.

Dass NRW über eine hohe Baustellendichte verfügt, ist wahrlich kein Geheimnis. „Es waren und es sind noch einige neuralgische Punkte in Bearbeitung“, sagt   Bernd A. Löchter, der Mann von „Straßen.NRW“, der bei diesem Thema vor allem an drei Großprojekte denkt: den großflächigen Ausbau der A40, des Kölners Ringes und der Rheinbrücke in Leverkusen, die bis 2020 neu gebaut sein soll. Es sind gewaltige Projekte, die sich in einem Land, das mit 9,1 Millionen Fahrzeugen über drei Millionen Wagen mehr auf die Straße bringt als das zweitplatzierte Baden-Württemberg, besonders drastisch auswirken.

Mehr Baustellen, damit der Infarkt verhindert wird

Die Formel ist einfach: Viele Menschen mit vielen Autos leben auf wenig Platz in einem Land, durch das wichtige Transitstrecken des internationalen Güterverkehrs laufen. NRW ist Ballungsraum, Baustellenland und wird obendrein mehr und mehr zum Brummiland. Nach Prognosen des Bundes wird der Güterverkehr bis 2025 noch einmal deutlich ansteigen. Nachvollziehbar also, dass Christian Lindner von der FDP erst im vergangenen Jahr vor einem Verkehrskollaps gewarnt hat: „Wir werden im Transitland NRW innerhalb der nächsten zehn Jahre nahezu eine Verdoppelung des Verkehrsaufkommens haben.“ Seine Forderung: Ausbau des Straßen- und Schienennetzes.

Die Grundüberlegung lautet also: Mehr Baustellen, damit der Infarkt verhindert wird. Und es gibt ja auch gute Beispiele dafür, dass sich Projekte lohnen. Löchter nennt die A2 am Kamener Kreuz, „die in den Verkehrsnachrichten gar nicht mehr vorkommt.“

Doch bis der Mann weitere positive Beispiele nennen kann, werden noch jede Menge Bagger jede Menge Erde verschieben müssen. „In den nächsten Jahren wird auf jeden Fall viel passieren“, betont Löchter, der vor allem auch das Brückenproblem im Auge hat. „Die Rheinbrücke soll 2020 neu sein. Aber sie ist längst nicht die einzige, die mittelfristig ersetzt werden muss.“ Laut „Straßen.NRW“ müssen für 3,5 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren „fast 400 Brücken in NRW saniert, verstärkt und teilweise neu gebaut werden“, um den ständig wachsenden Schwerlastverkehr tragen zu können.

Zehn Kilometer Strecke pro Stunde

Es ist also kein Stauende in Sicht. Auf Jahre hinaus. Die Haushaltskassen sind klamm. Und wer wissen will, wie viel Zeit er verliert, wenn er im Schneckentempo über die Bahn kriecht, kann sich an eine Formel von Michael Schreckenberg von der Uni Duisburg/Essen halten. Der Stauforscher rechnet „mit einem Durchschnittstempo von 10 Stundenkilometern, was am unteren Limit liegt.“ Demnach kostet ein Stau von zehn Kilometern eine  volle Stunde an Fahrtzeit.