Kahramanmaras.


. Stabsunteroffizier Ramazan Ü. hätte nie damit gerechnet, dass er irgendwann einmal dienstlich in die Türkei reisen würde. Der 25 Jahre alte Bundeswehrsoldat hat türkische Eltern und macht jedes Jahr bei seiner Familie am Schwarzen Meer Urlaub. Jetzt ist er 900 Kilometer davon entfernt im südtürkischen Kahramanmaras stationiert und einer von rund 1000 Nato-Soldaten, die die Türkei mit „Patriot“-Raketen vor Angriffen aus Syrien schützen sollen.

„Ich hätte nie gedacht, dass die Türkei uns einmal als Nato-Partner anfordert“, sagt der Unteroffizier. „Und dass es dann mich trifft und ich in den Einsatz geschickt werde, hat mich auch überrascht.“ Am Samstag war Ramazan Ü. unter den Soldaten, die Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bei seinem ersten Truppenbesuch in der Türkei besonders herzlich begrüßte. De Maizière kam nicht allein. Seine erst 39 Jahre alte niederländische Kollegin Jeanine Hennis-Plasschaert stieg in Brüssel nach dem Nato-Verteidigungsministertreffen mit in seinen Regierungsflieger. In Adana stieß dann der türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz dazu.

Einen Truppenbesuch dreier Verteidigungsminister gibt es nicht alle Tage. Das Signal ist klar: „Wenn irgendjemand in Syrien auf dumme Gedanken kommen sollte, steht hier nicht die Türkei oder Deutschland oder die Niederlande, sondern die Nato insgesamt“, betonte de Maizière.

Für den Dreier-Besuch als Zeichen der Bündnissolidarität hatte er sogar eine Reise gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel sausenlassen. Die Regierungschefin war am Sonntag zum Auftakt ihrer Türkei-Reise in Kahramanmaras.

Etwa 1000 Nato-Soldaten aus Deutschland, den Niederlanden und den USA nehmen an der Operation „Active Fence Turkey“ („Aktiver Zaun Türkei“) teil. Für die Bundesregierung ist die Mission politisch besonders wichtig. Das Ausscheren aus dem Libyen-Einsatz hat für viel Unverständnis in der Nato gesorgt. Die Deutsche Marine zog vorübergehend sogar ihre Schiffe aus den Nato-Verbänden im Mittelmeer ab. Jetzt kann Deutschland in der Türkei seine Verlässlichkeit wieder unter Beweis stellen.

Der syrische Bürgerkrieg mit seinen mehr als 70 000 Toten scheint von Kahramanmaras aus weit entfernt. Die „Patriot“-Abschussrampen sind am Rande der Stadt vor einer gigantischen Bergkulisse postiert. Bis zur Grenze sind es 100 Kilometer, bis in die syrische Hauptstadt Damaskus sogar mehr als 500. Umgekehrt sind es von Damaskus nach Kahramanmaras aber nur fünf Minuten – wenn man die Geschwindigkeit einer Scud-Rakete zum Maßstab nimmt. Fünf Minuten – das ist dann auch die maximale Reaktionszeit, die die „Patriot“-Staffeln im Ernstfall haben.

Bisher hat Syrien allerdings nur mit Mörsergranaten auf türkisches Grenzgebiet geschossen. Es wagt aber niemand zu prophezeien, was passiert, wenn das Regime von Baschar al-Assad in den letzten Zügen liegt. Deshalb hat die türkische Regierung um Hilfe gebeten und die Nato-Partner sind herbeigeeilt. Der Kern des Einsatzes liegt nun darin, da zu sein und die Augen offen zu halten. „Das ist Verteidigung im alten, besten Sinne des Wortes“, sagt de Maizière. „Wir sind noch Kinder des Kalten Krieges, und der Kalte Krieg lebte von Abschreckung.“

Schwierige Bedingungen

Die Einsatzbedingungen in Kahramanmaras lassen noch zu wünschen übrig. Die deutschen Soldaten sind in vier Hotels in der Stadt untergebracht, weil es in der türkischen Kaserne an angemessenen Unterkünften fehlt. Duschen gibt es dort ebenso wenig wie Sportmöglichkeiten, und Internet für alle ist auch noch Zukunftsmusik. Die Türken haben allerdings bereits mit Sanierungs- und Bauarbeiten begonnen.

Der Einsatzort hat aber auch durchaus Vorteile für die deutschen Soldaten. „In Afghanistan muss man jeden Moment mit einer Attacke rechnen“, sagt Ramazan Ü., der auch schon am Hindukusch im Einsatz war. „Das ist hier zum Glück nicht der Fall.“