Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Benedikt XVI. wird am 28. Februar zurücktreten, als erster Papst der Neuzeit. Doch je mehr sich das Datum nähert, desto mehr drängt sich die Frage um seine Nachfolge in den Vordergrund. Rund um den Erdball wird über das Ergebnis des anstehenden Konklave spekuliert: Wird es ein Europäer? Oder doch der seit langem fällige Papst aus der “Dritten Welt“?

Rom (dapd). Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Benedikt XVI. wird am 28. Februar zurücktreten, als erster Papst der Neuzeit. Doch je mehr sich das Datum nähert, desto mehr drängt sich die Frage um seine Nachfolge in den Vordergrund. Rund um den Erdball wird über das Ergebnis des anstehenden Konklave spekuliert: Wird es ein Europäer? Oder doch der seit langem fällige Papst aus der "Dritten Welt"? Ein Papst weißer oder schwarzer Hautfarbe? Ein konservativer Hardliner, wie es Joseph Ratzinger war, oder ein moderater Pontifex?

Das Thema ist heikel, die Spekulationen zahlreich, die Hoffnungen groß. So kurz vor Ostern brennt die Angelegenheit dem Vatikan unter den Nägeln. Noch dazu, weil in Rom allen klar zu sein scheint, wie heikel die Wahlversammlung verlaufen könnte. Dass die römische Kurie tief gespalten ist, ist ein offenes Geheimnis. Benedikt selbst rief in seiner Aschermittwochsliturgie in scharfem Ton dazu auf, die Spaltungen innerhalb der Kirche, aber auch innerhalb der Kurie zu überwinden, weil sie der Kirche schaden würden.

"Ich denke, es wird einen Krieg geben", meint der Papst-Biograph und Vatikanist Andreas Englisch im Interview mit dem Magazin "Der Spiegel". "Auf der einen Seite sind die Italiener, die das Amt für sich zurückhaben wollen. Auf der anderen Seite steht die Globalisierungsfraktion, die sagt: Nach einem Polen und einem Deutschen muss es ebenso global weitergehen."

Die Turiner Tageszeitung "La Stampa" spekulierte, es könnte nicht nur "wegen der bekannten Rivalitäten der Kardinäle" eine schwierige Wahl werden, sondern weil der Kandidat erst gefunden werden müsse, der die Kirchenkrise überwinden kann. Klarheit wird erst das Konklave bringen können. Zu viele Namen kursieren in den Korridoren der römischen Kurie - Namen der möglichen "papabili", wie die Anwärter auf den Stuhl Petri auf Italienisch genannt werden.

Favoriten in Europa: Von Scola bis Schönborn

Als Topfavorit unter den italienischen Kandidaten wird der Erzbischof von Mailand, Kardinal Angelo Scola, gehandelt. Der 71-Jährige gilt als intellektuell auf Benedikts Linie, aber ausgestattet mit der Verve von Johannes Paul II. Er setzte sich während des Pontifikats von Joseph Ratzinger vorrangig für die Neuevangelisierung ein, die auch von Benedikt am Herzen lag, und für und den interreligiösen Dialog. Scola galt bereits 2005 als "papabile". Neben Scola fielen aus Italien noch die Namen von Kurienkardinal Gianfranco Ravasi (70) und dem Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz (CEI), Angelo Bagnasco (70) aus Genua. Unter den Europäer werden außerdem noch dem 68- jährigen Wiener Erzbischof und Theologen Christoph Schönborn Chancen eingeräumt.

Marc Ouellet: Ein Papst der "neuen Welt"

Außerhalb Europas hofft man auf den ersten nichteuropäischen Papst. Joseph Ratzinger selbst hatte schon 2005 vor seiner Ernennung erklärt, die Zeit sei reif für einen farbigen Papst. Zu den Kardinälen der neuen Welt, denen Chancen zugebilligt werden, gehören heute unter anderem der Kanadier Marc Quellet (68), der Argentinier Leonardo Sandri (69) und der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Peter Turkson aus Ghana.

Der weltläufige Ouellet, geboren im kanadischen Quebec, gilt intellektuell als Schüler Ratzingers. Der Präfekt der Bischofskongregation würde "als erster Papst der neuen Welt" einen Bruch darstellen, urteilen heute Experten. Anhänger befürworten ihn, er wäre als ein bescheidener Papst und strenger Verteidiger der Glaubenslehre und katholischen Identität. Doch könnte er "Benedikt zu ähnlich" sein, meint etwa der renommierte Vatikanexperte John Allen, und das "zu seinen eigenen Ungunsten". Denn als Kopie hinke man eben dem Original immer hinterher.

Südamerika, Afrika oder Asien?

Der Argentinier Leonardo Sandri gehört zu den heiß gehandelten "papabili", die als politisch moderat gelten. Der 69-Jährige würde zudem als gebürtiger Argentinier italienischer Abstammung die alte und die neue Welt verbinden. Kritiker sahen ihn eher im Amt des Kardinalstaatssekretärs denn als Papst. Vatikanisten urteilten, sein jetziges Amt als Präfekt der orientalischen Kirchen könnte ihm in dem Konklave im Wege stehen.

Als aussichtsreichster Afrikaner hingegen gilt Kardinal Peter Turkson aus Ghana. Der 64-jährige wurde 2009 von Benedikt zum Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden ernannt. Turkson behielt im Aids geplagten Afrika zwar die Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem Gebrauch von Kondomen bei, diese wären keine Lösung der Aids-Krise. Er ließ allerdings den Gebrauch von Präservativen bei verheirateten Paaren offen, bei denen einer der Partner HIV-infiziert sei. Sollte hingegen die Stunde Asiens geschlagen haben, könnte der relativ junge Erzbischof von Manila, Luis Antonio Tagle (55), der richtige Kandidat sein.

Klarheit wird erst die Papstwahl bringen. Hierzu versammeln sich alle wahlberechtigten Kardinäle zu dem sogenannten Konklave. Der Zeitplan ist in der Regel genau abgesteckt: 15 bis 20 Tage nach dem Beginn der Sedisvakanz (dem leer gebliebenen Stuhl des Papstes) beginnt die Wahl. Die Frist dient dazu, den Kardinälen Zeit zu geben, aus aller Welt nach Rom zu kommen. Da Benedikt seinen Rücktritt früher angekündigt hat, könnte das Konklave diesmal schon früher, also vor dem 15. März beginnen. Wahlberechtigt sind alle Kardinäle, die ihr 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, heute rund 117. Die Wahl findet geheim hinter den Türen in der Sixtinischen Kapelle statt. Um gewählt zu werden, ist ein Zweidrittelmehrheit nötig.

dapd