Rom. Mitte Dezember soll Papst Benedikt XVI. einen 300 Seiten langen Report erhalten über die Untersuchungsergebnisse des Vatileaks-Skandals erhalten haben. Die darin dargelegten Zustände sollen ihn zum Rücktritt gebracht haben. Das berichtet eine italienische Zeitung.
Homosex, Geld und Macht im Vatikan als eigentlicher Grund
für den Papstrücktritt - es klingt wie eine Räuberpistole, erfunden von einem
der zahlreichen Kritiker der katholischen Kirche. Doch was der Bestsellerautor
Dan Brown nicht hätte besser erfinden können, ist nach Berichten der
Tageszeitung "La Repubblica" Realität. Nicht Altersschwäche, sondern ein
belastender Bericht über Sex-, Geld- und Machtgelüste innerhalb der römischen
Kurie stünden hinter dem Rücktritt von Papst
Benedikt XVI., berichtete das Blatt am Donnerstag. Der Vatikan lehnt jeden
Kommentar ab.
Hintergrund ist laut "La Repubblica" erneut "Vatileaks", die letzte
große Affäre von Benedikts krisengeschütteltem Pontifikat - vom Vatikan selbst
so benannt in Anspielung auf die Veröffentlichung geheimer US-Depeschen auf der
Enthüllungsplattform Wikileaks. So habe der Pontifex Mitte Dezember einen 300
Seiten langen Report erhalten über die Untersuchungsergebnisse des
Vatileaks-Skandals. Die darin dargelegten Zustände hätten ihn zu seiner
Entscheidung bewogen, schreibt das Blatt weiter.
300 Seiten über verbotenen Sex und Finanztransaktionen
Der Geheimreport der päpstlichen Untersuchungskommission drehe sich
vorrangig um Verstöße gegen das sechste und siebte Gebot, zitiert "Repubblica"
eine namentlich nicht weiter genannte Quelle. So werde in zwei dicken, rot
eingebundenen Untersuchungsakten ohne Aufschrift rückhaltlos offengelegt, wie
sich ranghohe Mitglieder der römischen Kurie durch verbotene (homo-) sexuelle
Beziehungen und Finanzmanipulationen erpressbar gemacht hätten für
Außenstehende.
Damit nicht genug: Der Untersuchungsbericht spreche zudem von einer
versteckten homosexuellen Lobby innerhalb der Kurie. Als Orte von verbotenen
Intim-Begegnungen werden eine Villa außerhalb der Ewigen Stadt, eine Sauna im
römischen Vorort Quarto Miglio, ein Schönheitssalon im historischen Zentrum
genannt. Auch innerhalb der vatikanischen Mauern sei es zu intimen Begegnungen
zwischen Männern der Kirche gekommen.
In den Skandal verwickelt seien ein ehemaliger PR-Mann des
italienischen RAI-Fernsehens, ein Untersekretär des vatikanischen
Staatsekretariats sowie ein vom Vatikan engagierter internationaler
Finanzexperte aus der Schweiz. In welchem Zusammenhang genau, stellt das Blatt
allerdings nicht klar. Viele der im Laufe der Vatileaks-Affäre an die
Öffentlichkeit gelangten Namen seien in dem Bericht wieder aufgetaucht, heißt es
- wie der eines Monsignore, der im vergangenen Jahr seines Amtes enthoben worden
war, nachdem das italienische TV La7 ein Interview über geheime Sextreffen im
Vatikan gesendet hatte.
Benedikts letzte Ermahnungen zur Einheit
In einem anderen Licht erscheint die von Benedikt am vergangenen
Aschermittwoch ausgesprochene strenge Ermahnung, Handlungen gegen die Einheit
der Kirche und der Kurie "verunstalten das Antlitz der Kirche". Und nur wenige
seien angesichts von "Skandalen und Ungerechtigkeiten" bereit, auch "am eigenen
Herzen zu arbeiten".
Vatikan-Experten hatten vor und nach der überraschenden
Rücktrittsankündigung des Papstes immer wieder über schwere Grabenkämpfe
innerhalb der römischen Kurie berichtet. Diese hätten den Papst schwer belastet und letztendlich auch zu Vatileaks
geführt. Ein Machtkampf in der Kurie und nicht der am Ende verurteilte
Kammerdiener stehe hinter dem Krimi um Dokumentendiebstahl aus den
Privatgemächern des Papstes, vermuten viele. Andere sahen den überraschenden
Schritt des deutschen Papstes als Schlussfolgerung einer innerkirchlichen
"Regierungskrise". Ob die Wahrheit jemals ans Licht kommen wird, bleibt
offen.
Drei hohe Kirchendiener hatte der Pontifex 2012 mit den Ermittlungen
in der heiklen Affäre “Vatileaks” beauftragt: Den 82-jährigen emeritierten
Kurienkardinal Julian Herranz, den 89-jährigen emeritierten Kurienkardinal Josef
Tomko und den emeritierten Erzbischof von Palermo, Salvatore de Giorgi. Eben
diese drei werde der Papst an seinem letzten Tag
im Amt in Privataudienz empfangen, heißt es nun. Warum? Um über den
Skandal-Report zu beraten?
Der "Repubblica" zufolge will Benedikt die Akten seinem Nachfolger
zumindest persönlich übergeben. Einem Nachfolger der hoffentlich "stark, jung
und heilig" genug sei, um alles Notwendige zu unternehmen. Benedikt XVI. tritt
am 28. Februar zurück. Wann das Konklave zur Wahl seines Nachfolgers beginnt,
war zunächst offen. (dapd)