Japans Atomindustrie will den Abbruch des havarierten Kernkraftwerks Fukushima zur Werbung für die eigene Expertise in der Nukleartechnik nutzen. Das Wissen um neueste Sicherheitsstandards gilt als wertvolles Exportgut - und Abnehmer gibt es scheinbar genug.

Tokio (dapd). Japans Atomindustrie will den Abbruch des havarierten Kernkraftwerks Fukushima zur Werbung für die eigene Expertise in der Nukleartechnik nutzen. Das Wissen um neueste Sicherheitsstandards gilt als wertvolles Exportgut - und Abnehmer gibt es scheinbar genug.

Eine der jüngsten Innovationen: Ein Schwall Trockeneis soll hoch radioaktive Partikel von Wänden und Böden im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi waschen. Anschließend sammelt der gleiche Roboter, der das gefrorene Kohlendioxid mit Hochdruck auf die Wände verteilt, den aufgewirbelten radioaktiven Staub mit einer Vakuumpumpe ein und transportiert ihn ab - alles ferngesteuert vom bereits dekontaminierten Kontrollzentrum, in dem nicht einmal mehr Schutzkleidung erforderlich ist.

Mithilfe des neuen Roboters könnten wegen extrem hoher Strahlung bislang unzugängliche Reaktorbereiche wieder begehbar werden, hoffen die Forscher des AKW-Bauers Toshiba, die ihre Erfindung unlängst der Öffentlichkeit vorstellten. "Da sich das Trockeneis sofort in Gas umwandelt, entsteht kein zusätzlicher Strahlenmüll", schwärmt Entwickler Tadasu Yotsuyanagi. Bisher wurden bei Dekontaminierungsarbeiten meist große Mengen Wasser eingesetzt, die anschließend in den ohnehin bereits übervollen Tanks für radioaktive Abwässer landeten. Ab Sommer könnte nun der Roboter zum Einsatz kommen, meint Yotsuyanagi.

Japan will Wissen exportieren

Jede noch so kleine Erfolgsmeldung beim Abbruch in Fukushima ist auch Werbung für Japans Atomtechnik. Zwar steht die Zukunft der heimischen Kernenergie wegen des schwersten Atomunfalls seit der Explosion in Tschernobyl vor 27 Jahren noch immer in den Sternen, doch das Exportgeschäft kommt langsam wieder auf Touren. Vor wenigen Tagen rührte Handelsminister Toshimitsu Motegi in Saudi-Arabien die Werbetrommel für Japans Atomexpertise.

"Wir wollen die Lehren, die wir aus dem Fukushima-Unfall ziehen, dafür nutzen, um eine sichere Atominfrastruktur zu exportieren", verteidigte Motegi die staatliche Schützenhilfe für die heimische Atomindustrie bereits vor seiner Nahostreise. Japan könne dank der Fukushima-Erfahrung auch das Wissen über neueste Sicherheitsstandards und Notfallmaßnahmen im Falle eines Atomunfalls an die saudischen Partner weitergeben, zitierte die Wirtschaftszeitung "Nikkei" Ministeriumskreise.

Strategie hat Erfolg

Die japanische Strategie hat offenbar Erfolg. Die saudische Regierung hoffe, ihre ersten AKW mit japanischer Technologie zu bauen, zitierte die japanische Nachrichtenagentur Kyodo einen anonymen saudischen Regierungsvertreter. Der größte Ölexporteur der Welt will bis 2030 16 Atomreaktoren bauen, um eine stabile Energieversorgung seiner stetig wachsenden Bevölkerung zu sichern.

In ein bis zwei Jahren könnte ein japanisch-saudisches Atomabkommen das erste bilaterale werden, das Japan nach der Fukushima-Katastrophe abgeschlossen hat. Um eine friedliche Nutzung sicherzustellen, dürfen AKW-Hersteller erst nach Abschluss einer solchen Übereinkunft bei der Vergabe von Atomprojekten mitbieten. Bereits knapp acht Monate nach der dreifachen Kernschmelze hatte die damalige atomkritische Regierung die noch vor der Fukushima-Katstrophe ausgehandelten Atom-Abkommen mit Südkorea, Russland, Vietnam und Jordanien durchs Parlament geboxt.

Asien setzt auf Atomstrom

Die neue Regierung wolle den von der Vorgängerregierung erlassenen Exportstopp für Atomtechnik in Kürze aufheben, mutmaßten jüngst japanische Medien. Bereits im Januar hatte sich der neue Premier Shinzo Abe auf einer Reise durch Südostasien für Japans Atomtechnologie stark gemacht. Und das Industrieministerium ergänzte nach dem jüngsten Regierungswechsel im Dezember in seinen Budgetforderungen für das kommende Jahr noch schnell einen Posten für Exporthilfen für die Atomindustrie.

Vor allem im energiehungrigen Asien gehört die Atomkraft zu den großen Wachstumsbranchen der kommenden Jahrzehnte. Nach jüngsten Schätzungen des japanischen Wirtschaftsministeriums wird sich in den nächsten 26 Jahren die Zahl der Atomreaktoren weltweit im Vergleich zum Jahr 2011 verdoppeln. Allein in Asien gibt es nach Informationen des Ministeriums Pläne für 100 neue Atomreaktoren im Wert von insgesamt rund 50 Billionen Yen (400 Milliarden Euro).

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