Hagen/Rom. .

Wer Silvio Berlusconi abgeschrieben hat, wird zurzeit eines besseren belehrt. Immer mehr Italiener, die sich nach den Skandalen des früheren italienischen Ministerpräsidenten geschworen hatten, ihn nie wieder zu wählen, verfallen dem Cavaliere wieder. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Die Verlobte

Dass Silvio Berlusconi virtuos auf der Wahlkampf-Klaviatur zu spielen weiß, demonstriert der 76-Jährige laut Corriere della Sera mit seinen Solo-Auftritten auf politischer und privater Bühne: Seine Verlobte Francesca Pascale, 48 Jahre jünger als der Cavaliere, ist seit zwei Monaten von der Bildfläche verschwunden. Die 20 Berater des Ex-Ministerpräsidenten hätten die bildhübsche Dame aus Neapel mit Blick auf die verblassenden Erinnerungen an Bunga-Bunga-Partys als Risikofaktor ausgemacht und in einer seiner vielen Villen „eingekerkert“. Auch andere italienische Tageszeitungen, die nicht zum Imperium des Medienmoguls gehören, fahnden nach der 28-Jährigen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Berlusconi lieber ohne die Frau, die ihre Karriere in Sendungen wie „Telecafone“ (zu deutsch „TV-Tollpatsch“) im knappen Bikini startete, durchs Land tourt.

Die Marketingtricks

Die linksgerichtete Tageszeitung La Repubblica nimmt derweil Berlusconis aktuelle Versuche aufs Korn, sich Sympathien zu erkaufen. „Medien-Profi adoptiert Hund und Fußballstar Balotelli“, so lautet der bissige Kommentar des Blattes. Vor wenigen Tagen war der Medienmogul in einem Mailänder Tierheim aufgetaucht und spazierte mit Hundewelpen „Victoria“ auf dem Arm wieder von dannen. Natürlich in Anwesenheit dutzender Fernsehstationen. Tage zuvor hatte Berlusconi den italienischen Fußballstar Mario Balotelli für 20 Millionen Euro von Manchester City gekauft, um ihn medienträchtig bei seinem Verein AC Mailand mit den Worten „Balotelli hat zwei Tore geschossen und die Deutschen zum Weinen gebracht. Der andere Mario, Monti, hat mit der Immobiliensteuer und den neuen Steuerkontrollen zwei Tore geschossen, die die Italiener zum Weinen bringen“ zu präsentieren.

Der Philosoph

Sergio Benvenuto (64) ist einer der renommiertesten Philosophen und Psychoanalytiker Italiens. Seit Jahren führt er einen Feldzug gegen Silvio Berlusconi. Zuletzt äußerte er sich im österreichischen Kurier über den Cavaliere. Berlusconis Botschaft laute: „Kümmere dich nicht um Gesetze, unterschlage Steuern, werde reich mit gesetzwidrigen Methoden. Kurzum: Mach dein Ding und sei noch stolz drauf.“ Berlusconi sei wie ein Serienkiller, der verführt.

Das Versprechen

Durch einen Fernsehauftritt nach dem anderen hat Berlusconi es geschafft, den Abstand zu den anderen Kandidaten zu verringern. Mit seinem Imperium Fininvest zieht er seine Strippen von Mailand aus, über das Verlagshaus Mondadori und das Fernsehunternehmen Mediaset ist er allseits präsent. Seine erfolgreiche Strategie: den Wählern das zu versprechen, was sie sich wünschen.

Das Monopol

Il Giornale di Sicilia analysiert, dass die Wähler der rechten Mitte, tendenziell die Mehrheit in Italien, keinen aussichtsreichen Repräsentanten hätten. Mario Monti gilt in seiner Heimat bei den einfachen Leuten als superarroganter und gefühlskalter Technokrat, der Sozialdemokrat Bersani als Langweiler, der seine Anhänger bei Auftritten viel Pazienza (Geduld) abverlangt.

Der Papst

Nach Ansicht Antonio Politos, politischer Kommentator des Corriere della Sera, hat der Rücktritt des Papstes Berlusconis Comeback erschwert. Der Cavaliere brauche in der Endphase des Wahlkampfes die ungeteilte Aufmerksamkeit der italienischen Medien, um den Rückstand aufzuholen.

Die Berliner Allianz

Silvio Berlusconi kennt im Wahlkampf nur Freund und Feind. Deutschland gehört nachweislich nicht zu seinen Freunden. Bei jeder Gelegenheit wettert er gegen ein „Deutschland-zentriertes Europa“. Die Zeitungen des Medienmoguls wettern derweil gegen die „Berliner Allianz“. Gemeint sind damit Berlusconis Gegenspieler Mario Monti und Pier Luigi Bersani, die sich ständig „auf Pilgerfahrt nach Deutschland“ begeben würden.