Essen. . Die Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen in Krisen- und Schwellenländern wie Indien, Ägypten und Afghanistan schocken die Weltöffentlichkeit. Aktivistinnen glauben, dass nun der Widerstand wächst.

Schon wieder Indien: Diesmal ist ein ein kleines Mädchen, das Opfer einer besonders grausamen Vergewaltigung wird. Im Dezember traf es in Neu-Delhi eine Studentin, die in einem Bus von gleich sechs Männern überfallen wurde. Sie hat die schwere Misshandlung nicht überlebt. In Kairo auf dem Tahrir-Platz mehren sich die Meldungen über Männerhorden, die am helllichten Tag über Frauen herfallen und Passanten aufrufen, sich an den Vergewaltigungen zu beteiligen. Und in Afghanistan haben neben all der häuslichen sexualisierten Gewalt viele Frauen noch nicht mal eine Chance auf einen Arztbesuch – mit der Folge, dass eine von elf Frauen bei der Geburt eines Kindes stirbt.

Auch Männer sind ermutigt

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen mit Beispielen von unfassbarer Gewalt und Unterdrückung von Frauen in Krisen- und Schwellenländern. So dramatisch das klingt – für Aktivistinnen zeigen diese Berichte, dass die Sensibilisierung für Frauenrechte weltweit größer wird. „Es wird mehr über sexualisierte Gewalt gesprochen“, sagt etwa Monika Hauser, Gründerin und Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale, dieser Zeitung.

Tatsächlich treibt der brutale Fall von Neu-Delhi die Bevölkerung auf die Straße. Frauen würden ermutigt, „auch Männer positionieren sich“, sagt die Aktivisten. Sie hofft, dass Frauenfragen weltweit endlich den Stellenwert bekommen, der nötig ist.

Laut Amnesty International ist Gewalt gegen Frauen eine der Menschenrechtsverletzungen, die weltweit am häufigsten vorkomme – vor allem, wenn etwa Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung eingesetzt würden.

Afghanistan ist derzeit für Frauen das gefährlichste Land, gefolgt von Kongo, Pakistan, Indien und Somalia. Zu diesem Ergebnis kam im Jahr 2011 mit einer Studie die Stiftung TrustLaw des Medienkonzerns Thomson Reuters.

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Dass Afghanistan immer noch die Liste anführt – dafür sei auch die internationale Gemeinschaft verantwortlich, so Monika Hauser. Beim Wiederaufbau der Zivilgesellschaft müssten Frauen viel stärker beteiligt werden, sagt die Aktivistin. Auch sei Soldaten mitunter nicht klar, wie sie sich in Krisenländern verhalten müssen. Stattdessen brüsteten sie sich mit sexuellen Erlebnissen. „Ein ukrainischer UN-Pilot antwortete mal auf meine Frage, wie ihm Liberia gefalle: ‚Too much sun, too much syphilis‘ (zu viel Sonne, zu viel Syphilis)“, erzählt Monika Hauser von ihren persönlichen Erlebnissen vor Ort.

Für die Aktivistin läuft nicht nur bei militärischen Interventionen einiges schief. Auch die Entwicklungshilfe wirke zu wenig auf die Gesellschaft ein. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) etwa, sagt Monika Hauser, kümmere sich mit seiner Politik erst einmal um deutsche Wirtschaftsinteressen. Zwar gebe es in Indien seit Langem eine Frauenförderung mit entsprechenden Gesetzen, aber die Entwicklungshilfe übe nicht genügend Druck aus.

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Von Birgitta Stauber-Klein

Für Monika Hauser setzte die gefährliche Kombination aus Korruption, Armut und überaus patriarchaler Gesellschaft die Gesetze außer Kraft. „Die direkte Folge ist Straflosigkeit.“ Die Macht der Männer sei so groß, dass Frauen etwa in Indien häusliche Gewalt als normal empfinden, sagt die Ethnologin Kristina Großmann dem Portal „Spiegel Online“. Essen anbrennen lassen, Sex verweigern oder allein ausgehen seien häufig akzeptierte Gründe für Gewalt in einer Beziehung, so die Expertin für Gewalt gegen Frauen in Südostasien und China.

Die Gewalt in Deutschland

Angesichts dieser dramatischen Lage, in der sich so viele Frauen weltweit befinden: Schickt es sich überhaupt, in Deutschland eine Sexismus-Debatte anzustoßen, nachdem ein älterer Politiker in einer Weinlaune einer jungen Journalistin ein zweifelhaftes Kompliment gemacht hat? Für die Frauenaktivistin haben die Proteste gegen die Vergewaltigung in Indien auch den Frauen hierzulande Mut gemacht, den alltäglichen Sexismus anzuprangern. Denn auch in Deutschland bleibe es nicht bei harmlosen Sprüchen, auch in Deutschland sei sexualisierte Gewalt Alltag, sagt Monika Hauser. Tatsächlich haben laut einer Studie des Berliner Frauenministeriums 40 Prozent der Frauen und Mädchen hierzulande Gewalterfahrungen gemacht.

Zurück zu den Krisenländern. Sieht es etwa in Ägypten nicht düster aus angesichts der fortschreitenden Islamisierung und der Gewalt zwischen der Regierung und deren Gegnern? Menschenrechtsarbeit könne man nur mit dem Blick auf das halbvolle Glas machen. „Ich baue auf die Frauen“, sagt Aktivistin Monika Hauser. Genau wie Amnesty International. Die Organisaton berichtet ausführlich über die gefährlichen Angriffe etwa in Kairo. Das Fazit der Experten: Entmutigen lassen sich die Frauen nicht. „Trotz der Gewalt nehmen sie weiter an Demonstrationen teil“.