Brüssel. . Bereits seit den 90er-Jahren gibt es Überlegungen, Handelshindernisse zwischen Europa und den USA zu beseitigen. Doch bis zu einer Einigung sind noch zahlreiche Detailfragen zu klären. Außerdem gibt es auf beiden Seiten des Atlantiks besondere Interessenlagen.

Günstigere Waren aus den USA, bessere Produktionschancen für Europas Unternehmen und ­Impulse für die flaue Wirtschaft – und das alles ohne Kosten für die Steuerzahler: Derartig hohe Erwartungen hegt die EU-Kommission an ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten.

Was brächte so ein Abkommen?
Der Abbau von Handelshinder­nissen könnte Europas Wirtschaftsleistung bis 2027 jährlich um 0,5 Prozent erhöhen, schätzen EU-Experten. Das entspräche zusätzlich 86 Milliarden Euro je Jahr. Die US-Wirtschaft dürfte um jährlich 0,4 Prozent zulegen – also im Schnitt um 65 Milliarden Euro.

Die zwei mächtigen Wirtschaftsregionen machen schon jetzt rege Geschäfte miteinander. Sie ­wickeln laut einem EU-Bericht fast ein Drittel des gesamten Welt­handels untereinander ab. Jeden Tag würden zwischen der EU und den USA Güter und Dienstleistungen im Wert von zwei Milliarden Euro gehandelt.

Über ein Freihandelsabkommen wird bereits seit den 90er-Jahren geredet. Für EU und USA ist die ­Lage seither nicht einfacher geworden. Beide kriseln. Und beide ­merken, wie in Zeiten der Globalisierung ihr Einfluss schrumpft. Mit einer Freihandelszone könnten sie nun vor allem ein Gegengewicht zu den aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien schaffen.

Welche Hindernisse sollen weg?

Einerseits sollen Zölle abgebaut werden, die bei der Einfuhr von Produkten aus den USA beziehungsweise aus Europa erhoben werden. Derzeit müssen Europas Unternehmen im Schnitt vier ­Prozent Aufschlag bezahlen, wenn sie eine Ware oder eine Dienst­leistung aus den USA kaufen.

Viel teurer sind für die Wirtschaft aus EU-Sicht andere ­Handelshindernisse. Derzeit ­gelten in Europa und den USA unterschiedliche Standards sowie Sicherheits- oder Technik-Anfor­derungen für Waren und Dienstleistungen. Dadurch entstünden Unternehmen zusätzliche Kosten, die Zöllen von mehr als zehn bis teilweise sogar 20 Prozent entsprächen, sagt EU-Handelskommissar Karel de Gucht.

Was bedeutet das Abkommen für Bürger und Unternehmen?
„Freier Handel senkt eher die ­Preise“, sagt der USA-Experte Bernhard Welschke vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Würden zudem Produkt-Standards angeglichen, senke das Kosten. Er nennt ein Beispiel: In den USA müssten Autos andere Crash-Tests absolvieren als hierzulande – zwei unterschiedliche Test-Verfahren seien teurer als eines.

Europas Wirtschaft könnte laut Experten in einer gemeinsamen Freihandelszone günstiger als ­bisher Produkte und Rohstoffe aus den USA kaufen. Das senkt – in der Theorie – die Herstellungskosten für Autos, Maschinen und andere Waren. Damit sichern sich die Unternehmen eine bessere ­Ausgangsposition im weltweiten ­Wettbewerb. Im Idealfall machen sie dann mehr Gewinn und können mehr Menschen einstellen.


Wo drohen Probleme für ein ­gemeinsames Abkommen?

Es gibt viele heikle Handelsthemen zwischen Europa und den USA. Dazu gehört die Militär-Branche, aber vor allem die Landwirtschaft. So sind die Europäer zurück­haltender als die Amerikaner, was gentechnisch veränderte Lebensmittel und Pflanzen angeht. Auch in der Behandlung von Nahrungsmitteln gibt es Unterschiede. So möchten die Europäer keine mit Chlor desinfizierten Hühnchen aus den USA in die EU lassen.

Zudem gibt es auf beiden Seiten des Atlantiks mächtige Industrien, die ein berechtigtes Interesse daran haben, ihre Märkte zu schützen und zu viel Konkurrenz verhindern wollen. Das gilt im Beson­deren für die bereits genannten Wirtschaftszweige Autobau, Agrarindustrie und Rüstung. Außerdem ist im US-Kongress der Widerstand gegen Handelsabkommen tradi­tionell groß.