Rom. .

Ein grauer Rom-Tag, so kalt, dass es gegen Abend auch schneien könne, so war die Wetterprognose. Das allein wäre in der meist sonnigen Stadt schon eine Sensation. Doch kurz vor zwölf Uhr passiert eine viel größere. „Der Papst tritt zurück“, TV-Schlagzeilen verkünden es und schnellstens kursiert die Nachricht per sms, Twitter Mail und Telefon. „Unmöglich. Ein Papst tritt nicht zurück“, sagt eine Passantin auf dem Petersplatz und schüttelt ungläubig den Kopf.

Doch es stimmt. Benedikt XVI. hat es selbst angekündigt, auf Lateinisch, vor versammelten Kardinälen im Konsistoriumssaal des Vatikans. Zuvor hatte er dort Heiligsprechungsdekrete erlassen. Neben ihm sitzt, unbewegten Gesichtes, sein Zeremonienmeister, vor ihm Kardinäle der römischen Kurie und weitere Purpurträger. Was sie da auf Latein hören, so wird hinterher bekannt, veranlasst sie zunächst zu fassungslosem Schweigen.

Als erster fasst sich Kardinal Angelo Sodano, der Dekan des Kardinalskollegiums. Er tritt vors Mikrofon und sagt, ein Blitz aus heiterem Himmel sei diese Ankündigung. Doch dann hält er eine so geschliffene Rede, dass Vatikan­beobachter später vermuten, der Dekan habe vielleicht ebenso wie Papstbruder Georg Ratzinger zu den wenigen Eingeweihten gehört. Er erinnert an die Wahl des Kardinals Joseph Ratzinger 2005 zum 265. Petrusnachfolger und würdigt kurz einige seiner Verdienste.

Die italienische Journalistin Giovanna Chirri ist dabei. Sie hat grob verstanden, dass Benedikt zurücktreten will, traut ihren Latein-Kenntnissen aber nicht über den Weg. Also versucht sie, Vatikan-Sprecher Federico Lombardi zu erreichen. Erst als er zurückruft und die Sensation bestätigt, sendet Chirris Agentur Ansa die Nachricht in die Welt, da ist es 11.46 Uhr. In und außerhalb der Vatikanmauern wirkt die Rücktrittsankündigung wie eine Bombe. Niemand ist vorbereitet. Der Vatikan-Pressesaal vergisst sogar, um 12 Uhr sein alltägliches Bulletin herauszugeben. Es kommt erst Stunden später, mit der Sensationsmitteilung in acht Sprachen. Dann entschließt sich Lombardi zu einer spontanen Pressekonferenz und gesteht: „Der Papst hat uns ein wenig überrumpelt.“ Doch dann weiß er gleich auf viele Fragen zu antworten: Nein, Benedikt trete nicht aus Krankheitsgründen zurück und nein, er sei auch von niemandem zu diesem Schritt gedrängt worden.

Der fast 86-jährige Papst fühlt sich jetzt körperlich und geistig zu schwach, um weiterzumachen und drängende Probleme der Kirche zu lösen. Er spricht selbst von „Unvermögen“. Im und rund um den Vatikan wird das bestätigt. Albrecht Freiherr von Boeselager, Groß­hospitalier des Malteserordens, erlebte den Papst noch am Samstag bei einer Begegnung anlässlich des Ordensjubiläums im Petersdom. Von Boeselager: „Ich hatte zwei verschiedene Eindrücke. Geistig völlig wach, uns zugewandt und da. Aber körperlich sehr angeschlagen.“

Prälat Markus Graulich, ein Kirchenrechtsexperte, erlebte Benedikt XVI. vor 14 Tagen bei einer Audienz. Schon länger hätten er und weitere Vatikanmitarbeiter gemutmaßt, sagt er, dass der Papst dabei war, sein Haus zu bestellen: Sein Privatsekretär Prälat Georg Gänswein wurde Erzbischof und Präfekt, dann gab es Ernennungen neuer Kardinäle. Aber man habe gedacht, der Pontifex tue das, weil er sich dem Tode nahe fühlte.

Wie es jetzt weitergeht? Prälat Graulich hat sich schon seine Gedanken gemacht. Was mit einem emeritierten Papst geschehen werde, dafür gebe es noch keine Handhabe: „Aber der Heilige Vater ist ja noch bis 28. Februar im Amt, bis dahin kann er dazu noch ein Motu proprio veröffentlichen.“ Er rechnet nach dem 28. Februar, dem offiziellen Rücktrittsdatum, mit einer relativ schnellen Einberufung des Konklaves: „Es braucht ja nicht erst noch eine Beerdigung organisiert zu werden.“