Berlin. .

So emotional erlebt man die Kanzlerin selten. Mit trauriger Miene tritt Angela Merkel vor die Presse, um das Erwartbare zu verkünden: den Rücktritt von Bildungsministerin Annette Schavan. „Sehr schweren Herzens“ habe sie ihn angenommen, sagt Merkel und hält eine Lobeshymne auf die „anerkannteste und profilierteste Bildungspolitikerin unseres Landes“. Es sind Sätze, die berühren. Die Plagiatsvorwürfe erwähnt Merkel mit keinem Wort. Im Gegenzug dankt Schavan der „lieben Angela“ für das Vertrauen und die Freundschaft, die über diesen Tag hinauswirke.

Für Merkel muss dieser Tag in zweierlei Hinsicht ein ganz bitterer Tag sein. Zum einen verliert sie mit Schavan nicht nur ein profiliertes Kabinettsmitglied, sondern auch eine enge Vertraute, die ihr über Jahre mit unerschütterlicher Loyalität zur Seite stand. Zum anderen hat die Union den Start ins Wahljahr verstolpert. Bei der ­Niedersachsen-Wahl landete die CDU in der Opposition. Und in der Berliner Koalition hakt es: Bei der Energiewende bekriegen sich Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), während die Strompreise zu explodieren drohen.

Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) plagt sich mit den Milliardenprojekten Stuttgart 21 und Pannen-Flughafen Berlin-Brandenburg. Die FDP hat ihre liebe Not mit den Sexismusvorwürfen gegen den Spitzenkandidaten Rainer Brüderle. Und nun auch noch Schavan…

62 Prozent der Bürger glauben nach einer Umfrage, dass die Plagiatsaffäre der Kanzlerin und der Union geschadet hat. Das wäre bitter für die Union, die in den Umfragen derzeit bei 40 Prozent liegt. Tatsächlich aber dürfte sich der Schaden in engen Grenzen halten. Mit Johanna Wanka als Schavan-Nachfolgerin hat Merkel eine anerkannte Hochschulpolitikerin berufen. Allerdings wird die CDU-Chefin nun die Landesverbände aus NRW und Baden-Württemberg besänftigen müssen, die bei der Besetzung leer ausgegangen sind.

Trotz des verpatzten Starts hat das Rennen zur Bundestagswahl freilich erst begonnen. Hier warten auf Merkel noch viele Stolpersteine, sei es das umstrittene Betreuungsgeld, steigende Strompreise, die Auslandseinsätze der Bundeswehr oder eine CSU, die sich für ihre Landtagswahl profilieren will. Schavan wäre für Merkel zum Risiko im Wahlkampf geworden. Diese Gefahr ist gebannt.