Wie sich die Bilder gleichen. Ähnlich wie vor zwei Jahren in den Tagen der ägyptischen Revolution gegen Hosni Mubarak, geraten auch in diesen Tagen immer größere Teile Ägyptens in Aufruhr. Nicht nur in Kairo auf dem Tahrir-Platz, in praktisch allen großen Städten des Landes kommt es zu Straßenschlachten, werden Polizeiwachen angezündet, Gefangene befreit und eskaliert die Gewalt.
Der Hass auf die Polizei ist ungebrochen, die inneren Reformen der Ordnungskräfte keinen Schritt vorangekommen. Mit der Wirtschaft geht es in den letzten Wochen immer schneller bergab. Die Menschen haben ihre Reserven aufgebraucht.
Arbeitslosigkeit grassiert, Ägyptens Währung kollabiert und die Staatsschulden drohen der zunehmend hilflos agierenden Führung über den Kopf zu wachsen. Gleichzeitig stehen sich das islamistische und liberale Lager nach der von den Muslimbrüdern durchgepaukten Verfassung immer unversöhnlicher gegenüber.
Nur 20 Prozent der Wahlberechtigten stimmten am Ende dem neuen Grundgesetz per Referendum zu. Zu Recht sehen die Kritiker in seinen 236 Artikeln vor allem ein Machtinstrument der Muslimbrüder und keine Dokumentation des breiten Volkswillens, der auch Minderheiten und Andersdenkende mit einschließt.
Kein Wunder, dass das Klima der politischen Auseinandersetzung inzwischen heillos zerrüttet ist, reduziert auf rabiate und simple Formeln, die sich die Kontrahenten immer und immer wieder um die Ohren hauen. Mal verleumden sich beide Seiten, mal ergehen sie sich in düsteren Verschwörungstheorien – so als hätten sie es satt, weiterhin in einem Land zusammen zu leben.
Diese innere Blockade lähmt inzwischen den gesamten politischen Betrieb des Landes. Sie vereitelt jede Chance für die Regierung, die 85 Millionen Ägypter angesichts des drohenden Staatsbankrotts zu einer großen patriotischen Anstrengung zu mobilisieren. Und diese Blockade verleitet immer mehr Bürger dazu, ihre Frustration auf den Straßen mit Fäusten, Knüppeln und Gewehren auszutragen.