Berlin. Die Ehe ist tot – es lebe die Ehe? Die neu aufgeflammte Debatte um die Abschaffung des Ehegattensplittings zeigt: Es geht nicht nur um Steuerhilfen, sondern um Lebensentwürfe und Familienbilder. Die Kritiker des Ehegattensplittings fürchten dessen Folgen: „Zementierung der Hausfrauen-Ehe!“ Die Befürworter schätzen das Splitting als Staatshilfe für Millionen von Ehepaaren, die gemeinsam wirtschaften. Einer Allensbach-Umfrage zufolge könnten die Deutschen allerdings gut mit der Abschaffung des Splittings leben.

Das Ehegattensplitting ist keine heilige Kuh. Zwei Drittel denken, dass der Staat lieber beim Ehegattensplitting sparen sollte als bei anderen Familienleistungen. Drei von vier sagen: Wenn gespart werden soll, dann dort, wo Besserverdiener besonders profitieren. Aber: Nur jeder vierte Deutsche versteht überhaupt, wie das Splitting funktioniert. (Siehe Kasten)

Erfindung der 50er-Jahre

Ist das Ehegattensplitting überhaupt noch zeitgemäß? Das staatliche Steuergeschenk ist eine Erfindung der 50er-Jahre. Es soll „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“ sein, es „knüpft an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an“, bestätigt 1981 das Bundesverfassungsgericht. Heute, weitere drei Jahrzehnte später, zeigt die Umfrage: Die meisten finden das Splitting ungerecht, weil es nur Verheirateten zugute kommt, viele Ehepaare aber ohne Kinder leben. Etliche berufstätige Frauen glauben, sie seien gegenüber ihrem Ehemann steuerlich benachteiligt. 14% der nicht-berufstätigen Mütter gaben an, für sie würde sich eine Berufstätigkeit wegen der hohen Steuerabzüge nicht lohnen. In der Steuerklasse V fällt das Monatsnettogehalt des Nebenverdieners kleiner aus als bei einer getrennten Besteuerung.

Hier setzt die SPD an: Sie will das Ehegattensplitting für künftige Eheleute abschaffen, die CDU hält daran fest – und erwägt allenfalls eine Erweiterung zum „Familiensplitting“, bei dem Ehen mit Kindern besonders gefördert würden. Argument der SPD: „Das Ehegattensplitting und die Steuerklasse V zementieren das Modell des männlichen Haupternährers und der weiblichen Zuverdienerin.“ Feindbild Alleinverdiener-Ehe? Gleichstellungsfetischismus?

Es ist eher die Sorge um die Frauen. Die Steuerklasse V bremst vielfach die berufliche Entwicklung und soziale Absicherung. Durch das neue Unterhaltsrecht droht im Fall einer Trennung Armut. „Das Ehegattensplitting ist eine berufliche Sackgasse für Frauen“, sagt auch Ute Klammer, Vorsitzende der Gleichstellungskommission der Bundesregierung und Forscherin an der Uni Duisburg-Essen.

Wenn alles gut läuft

Das Ehegattensplitting bringt erhebliche finanzielle Vorteile. 20 Milliarden Euro pro Jahr beträgt der Splittingeffekt insgesamt. Aber: Das Ehegattensplitting läuft nur gut, wenn alles gut läuft. Wenn sich beide Eheleute über die Rollenverteilung einig sind, ein Leben lang gemeinsam wirtschaften und dem Haupternährer keine Arbeitslosigkeit droht. Ein Wunschbild, das die CDU gerne ins Feld führt.