Essen. . Nach der Abweisung eines Vergewaltigungsopfers an katholischen Kliniken in Köln kritisieren Frauenärzte die kirchliche Sexualmoral. Die Amtskirche setze sich über jede wissenschaftliche Erkenntnis hinweg. Ohne eine Verschreibung der „Pille danach“ sei die Behandlung eines Vergewaltigungsopfers unvollständig.

Die Abweisung eines Vergewaltigungsopfers an zwei Kölner Kliniken hat eine neue Diskussion um die Sexualmoral der katholischen Kirche entfacht. So lehnt es der Berufsverband der Frauenärzte ab, im Zusammenhang mit der „Pille danach“ von Tötung zu sprechen. Das Medikament verhindere weder die Befruchtung der Eizelle noch die Einnistung in der Gebärmutter, sondern verschiebe so lange den Eisprung und damit die fruchtbaren Tage, bis die Spermien nicht mehr lebensfähig sind.

Zuvor hatte sich der Kölner Kardinal Meisner für die Abweisung des Vergewaltigungsopfers entschuldigt. Ärzte hatten die Behandlungsverweigerung mit ihrer Sorge begründet, über die „Pille danach“ beraten und sie verordnen zu müssen. Dies bedauere er, erklärte Meisner. Bei Vergewaltigungen müssten katholische Kliniken jede „notwendige medizinische, seelsorgerische und menschliche Hilfe leisten“. Diese Hilfe ende aber bei „Maßnahmen, welche zur Tötung eines möglicherweise schon gezeugten Kindes beitragen“. Meisners Sprecher Christoph Heckeley erklärte dazu auf Anfrage, nach Auffassung in Teilen der katholischen Kirche zähle die „Pille danach“ dazu.

Katholische Kirche verbietet Empfängnisverhütung

Dieses Moralverständnis lasse sich mit dem Gewissen des Arztes nicht vereinbaren, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, Christian Albring, der WAZ Mediengruppe. Nach Meisners Verständnis müsse die Behandlung nach einer Vergewaltigung unterbrochen werden, da das Opfer nach der Untersuchung für die „Pille danach“ noch einen weiteren Arzt aufsuchen müsse. „Das ist so, als würde ich nach der Operation die Wunde nicht zunähen“, sagte der Frauenarzt. Die „Pille danach“ in Zusammenhang mit Tötung zu setzen, setze sich über jede wissenschaftliche Erkenntnis hinweg. Die Kirche sollte die Diskussion zum Anlass nehmen, ihre Position noch einmal zu überdenken.

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Die katholische Kirche verbietet seit 1968 durch die Enzyklika „Humanae Vitae“ jede Empfängnisverhütung, die nicht auf Enthaltsamkeit innerhalb der fruchtbaren Tage der Frau beruht. Dazu gehören die Antibabypille ebenso wie das Kondom.

Verhütung als Gewissensentscheidung

Nach breiter Kritik relativierte damals die Deutsche Bischofskonferenz in der „Königsteiner Erklärung“: Wer diese Geburtenregelung nicht akzeptiere, müsse sich „gewissenhaft prüfen“, ob er „vor Gottes Gericht seinen Standpunkt verantworten kann“. Damit machte die Bischofskonferenz die Empfängnisverhütung zur „Gewissenssache“.

Diese Gewissensentscheidung stand offenbar den Ärzten in Köln nicht zu. Anders im Bistum Essen. Dort gebe es keine Anweisung, was in katholischen Kliniken verordnet werden dürfe, so Bistumssprecher Ulrich Lota. Klar sei nur, dass es keine Abtreibung gebe.

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Wie sehr die Katholiken nach ihrem eigenen Gewissen handeln, verdeutlicht die aktuelle Studie des Marktforschungsinstituts „Sinus“ im Auftrag katholischer Hilfswerke. Demnach halten sie zwar an ihrer Kirchenzugehörigkeit fest, gehen aber im Glauben und Leben oft eigene Wege. Viele Katholiken seien enttäuscht etwa über den Umgang mit dem Missbrauchsskandal. Hohes Ansehen genießt die Kirche aber hinsichtlich ihres sozialen Engagements. Nach der Abweisung des Vergewaltigungsopfers wächst allerdings die Gefahr, dass dieser gute Eindruck schwindet.