Essen. Die Zahl derjenigen Straffälligen, die älter als 60 sind, ist in 20 Jahren von jährlich 103 000 auf 152 000 gestiegen. Die Polizei muss besser auf den Umgang mit solchen Tätern vorbereitet sein und speziell ausgebildet werden, fordert der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Die „Opa-Bande“, die 2006 nach 14 Banküberfällen von einem Hagener Gericht zu langer Haft verurteilt worden war, hat einen Trend gesetzt: Richter, Staatsanwälte und Polizisten haben es häufiger als früher mit Senioren zu tun. Die Zahl derjenigen Straffälligen, die älter als 60 sind, ist in 20 Jahren von jährlich 103 000 auf 152 000 gestiegen. Ihr Anteil an den Straftätern liegt aktuell bei 7,2 Prozent. Anfang der 90er-Jahre waren es erst fünf Prozent.
Die Polizei muss besser auf den Umgang mit solchen Tätern vorbereitet sein und speziell ausgebildet werden, fordert der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut. „Diese Täter erscheinen nach Straftaten oft äußerst hilflos oder emotional stark angegriffen. Die Betroffenen müssen in diesen Ausnahmesituationen möglichst aufgefangen werden, auch um Hinweise für die Ermittlungen zu bekommen.“ Dasselbe gelte übrigens auch für die Opfer in dieser Altersgruppe, sagt Witthaut. Auch deren Zahl nehme zu.
Die Alterung der Gesellschaft wird in Zukunft das Auftreten der Kriminalität beeinflussen: weniger roher Straßenraub und Körperverletzung, dafür mehr Betrug und Tötungsdelikte, wie sie in der häuslichen Pflege vorkommen. Von diesen Entwicklungen gehen wissenschaftliche Untersuchungen aus. Für das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung stellte Wolfgang Kahl fest, mit der Zunahme der Zahl pflegebedürftiger Menschen „ist auch mit einer Zunahme der Gewaltphänomene in diesem Zusammenhang zu rechnen“. Die Forscherin Franziska Kunz schreibt in einer Untersuchung für das Max-Planck-Institut, Täter der Ü-60-Generation würden besonders wegen Trunkenheit am Steuer, Betrug und Diebstahl auffallen. Der Hamburger Polizei-Abteilungsleiter Thomas Mülder glaubt, dass Senioren am Ende auch einen hohen Anteil an der Internetkriminaliät haben: „Die Generation, die mit virtuellen Netzwerken groß geworden ist, wird nicht mit 70 Jahren am Computer aufhören.“
NRW richtet bereits den Strafvollzug nach der älteren Kundschaft aus. In Detmold gibt es einen speziellen Vollzug für über 60-Jährige, in Bielefeld-Senne ist das seit 2012 der Fall, bestätigt Detlef Feige vom Justizministerium: Nicht nur Räumlichkeiten seien verändert. „Auch das Vollzugspersonal arbeitet pädagogisch anders. Es geht um sinnvolle Freizeitgestaltung statt um Ausbildung.“