Washington. . Der US-Senat hat die große Sparbombe nur zum Teil entschärft. Vize-Präsident Joe Biden hat den Deal ausgetüfftelt. Doch die Lunte glimmt noch. Nun richten sich die Augen auf das Repräsentantenhaus, das den Kompromiss noch absegnen muss. Aber: Mehrere Republikaner sprechen sich gegen den Kompromiss aus.
Die Aussichten auf eine schnelle endgültige Beilegung des Haushaltsstreits in den USA ist dramatisch gesunken. So wie es aussieht, rutschen die USA doch für mehrere Tage über die "Finanzklippe". Die Mehrheits-Fraktion der Republikaner im Repräsentantenhaus ging am Dienstagabend auf Konfrontationskurs zu dem im Senat zuvor mit breiter überparteilicher Mehrheit verabschiedeten Kompromiss-Paket.
Eric Cantor, Abgeordneter aus Virginia und neben John Boehner und Ex-Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan einflussreichster Republikaner im "House", kündigte an, das Paket nicht durchzuwinken. Es verletze "konservative Grundsätze", sagte er nach Angaben von Parteifreunden. Im Mittelpunkt der Kritik: Über Ausgabenkürzungen wurde nicht entschieden. Bleibt es bei der Hängepartie (Stand 22.45 Uhr deutscher Zeit) oder weist das Repräsentantenhaus das Kompromisspaket an den Senat zurück, müsste sich das am 4. Januar neu konstituierende Repräsentantenhaus abermals mit dem Thema ganz von vorn beschäftigen.
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Das Bemühen Präsident Obamas und einer großen Mehrheit von Republikanern und Demokraten im Senat (89:9), massive Steuererhöhungen für die Mittelschicht und radikale Ausgabenkürzungen zu verhindern, die der Papierform nach seit gestern gelten, wären damit fürs erste gescheitert. Die "Spar-Bombe", vor der Obama seit Wochen warnt, würde doch noch hochgehen.
Die wichtigsten Details im Überblick:
Ist Amerikas Absturz von der „Fiskalklippe“ vermieden?
Jein. Weil bis Silvester, 24 Uhr, keine fristgerechte Lösung gefunden wurde, gelten formal die seit Monaten umstrittenen automatischen Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Höhe von 600 Milliarden Dollar – das „fiscal cliff“. Die befürchteten ersten Kollateralschäden auch für die Weltwirtschaft – Verunsicherung der Finanzmärkte – können allerdings verhindert werden, wenn das Repräsentantenhaus dem klaren Votum des demokratisch beherrschten Senats (89:9-Stimmen) vor Öffnung der Börsen so schnell wie möglich folgt und die Einschnitte rückwirkend einkassiert. Frühestens für den späten Dienstagabend wurde mit einer Abstimmung gerechnet.
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Was sind die wichtigsten Punkte der Last-Minute-Lösung im Senat?
Zum ersten Mal seit 20 Jahren werden die Einkommenssteuern erhöht. Wer mehr als 400 000 Dollar (Familien: 450 000 Dollar) verdient, zahlt ab sofort 39,6 statt bisher 35 Prozent und muss auf Kapitalerträge und Dividenden 20 statt bislang 15 Prozent an den Fiskus abführen. Präsident Obama wollte die Messlatte zwar schon bei 250.000 Dollar Jahreseinkommen einziehen – sein Grundversprechen, die Besserverdiener im Land stärker zur Kasse zu bitten, hat er aber gehalten. Die Republikaner, die strikt gegen jede Steuererhöhung waren, sind am Ende eingeknickt. Gemessen an der Gesamtverschuldung der USA von derzeit 16.400 Milliarden Dollar sind die erwarteten Mehreinnahmen (600 Milliarden in zehn Jahren) allerdings überschaubar. Betroffen von den Steuererhöhungen ist nur ein Prozent der Bevölkerung.
Was bedeutet die Entscheidung für die Mittelschicht?
Dem Gros der Amerikaner bleiben Einkommenssteuererhöhungen erspart, die je nach Familienstand bis zu 5000 Dollar im Jahr ausgemacht hätten. Andererseits werden die Abgaben auf Lohn und Gehalt (Payroll-Tax) um zwei Prozent angehoben. Das bedeutet für eine Durchschnittsverdiener-Familie mit 50.000 Dollar im Jahr rund einen Tausender weniger in der Haushaltskasse.
Was ist mit den geplanten radikalen Kürzungen der Staatsausgaben etwa beim Militär oder im Sozialbereich von allein 110 Milliarden Dollar in diesem Jahr?
Für rund zwei Millionen Amerikaner bleibt die Arbeitslosenversicherung unangetastet. Eltern haben weitere fünf Jahre Steuervorteile. Die Honorare von Ärzten, die Patienten der staatlichen Krankenversicherung (Medicare) behandeln, werden nicht gekürzt. Die Entscheidung über Einsparungen im Staatsapparat, etwa im Verteidigungsministerium, ist allerdings nur um acht Wochen vertagt. Schon Anfang März spricht man sich wieder. Allein im Verteidigungssektor wären 800.000 Jobs bedroht, käme es zu den geplanten Kürzungen. Ausgang offen.
Hat Obama gar keine Schrammen abbekommen?
Doch: Zum einen musste er Abstriche machen bei der von ihm forcierten Reichensteuer. Das bringt ihm den Zorn linksliberaler Demokraten ein. Zum anderen sind die wahren Ursachen der Staatsverschuldung (zu hohe Ausgaben) wieder ausgeblendet worden. Außerdem hat sein Ruf als oberster Verhandler gelitten. Nicht er, sondern Vizepräsident Joe Biden (70) war es am Ende, der mit seinem republikanischen Gegenüber im Senat, Mitch McConnell, den „Deal“ ausgetüftelt hat.
Obama und sein Gesprächspartner John Boehner, Chef-Republikaner und am 3. Januar zur Wiederwahl anstehender Sprecher des Repräsentantenhauses, gelten bis auf weiteres als „verbrannt“, wenn es hart auf hart kommt.