Düsseldorf.. NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) spricht im Interview über seine Idee einer „Energie-Anleihe“ und Anlagen für Sonnenstrom auf dem Autobahn-Grünstreifen. Das Landesumweltamt sehe dort fast 60 Prozent des Freiflächenpotenzials in NRW. Das sei “gewaltig“, sagt der Grünen-Politiker.

Bei Amtsantritt als NRW-Umweltminister wurde Johannes Remmel (Grüne) noch als ideologisch verbrämter „Klima-Taliban“ beschimpft. In Zeiten der Energiewende sind viele seiner Thesen salonfähig geworden. Ein Gespräch über Umwälzungen, die NRW 2013 zu erwarten hat.

Herr Minister, für die Energiewende müssen in NRW Milliarden bewegt werden. Wer soll diese Investitionen stemmen?

Johannes Remmel: Die Energiewende ist eine ähnlich gewaltige Gestaltungsaufgabe wie der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg oder die deutsche Einheit. Wir brauchen deshalb nicht nur einen Masterplan, der den rechtlichen Rahmen schafft. Wir müssen uns auch die Frage stellen, wie wir den enormen Investitionsbedarf für die Umsetzung der Energiewende stemmen können. Und hier plädiere ich dafür, dass wir auch besondere Finanzierungsinstrumente nutzen, um den Auf- und Ausbau von erneuerbaren Energien, Stromnetzen, Fernwärme-Leitungen und Backup-Kraftwerken mit Gas- oder Pumpspeicher-Technik möglich zu machen. Ich denke da entweder an eine Art direkte Bürgerbeteiligung an konkreten Projekten, wie etwa Windenergie, oder eine Art „Energie-Anleihe“ des Staates. Gerade mit Blick auf die niedrigeren Zinsen auf dem Kapitalmarkt könnte die Energiewende somit zu einer attraktiven Geldanlage für Bürger, Banken und Versicherungen werden.

An welche Garantien denken Sie?

Remmel: Bei Investitionen in den Netzausbau oder in moderne Pumpspeicher-Kraftwerke geht es um gewaltige Summen. Allein die Planungskosten können 50 bis 100 Millionen Euro betragen, ohne dass die Umsetzung eines Projektes garantiert ist. Eine zeitlich begrenzte staatliche Hilfe oder eine öffentliche Beteiligung, direkt oder indirekt, könnte hier die Investitionsbereitschaft erhöhen.

Kann das Kohle-Land NRW Heimat der erneuerbaren Energien werden?

Remmel: Ist es schon. Heute arbeiten mehr als 26 000 Menschen in diesem Bereich – Tendenz steigend. Und ich sehe in NRW selbst noch großes Potenzial, die erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Wir haben gerade erst die so genannte Poten­zialstudie Wind vorgestellt, die besagt, dass wir allein durch Windenergie in NRW bis zu 71 Terawattstunden Strom pro Jahr produzieren könnten – mehr als doppelt so viel, wie alle privaten Haushalte im Land verbrauchen. Als nächstes folgt nun die Studie „Solar“ und hier deuten ersten Zwischenergebnisse ebenfalls auf ein großes Potenzial hin: Denn unser Landesumweltamt hat ermittelt, dass in NRW nur drei Prozent des möglichen theoretischen Potenzials in der Photovoltaik und Solarthermie genutzt werden. Gut 97 Prozent liegt also brach.

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Remmel: Diese Einschätzung ist falsch. Das werden wir mit der Solarstudie widerlegen. Wir haben enormes theoretisches Potenzial für die nächsten Generationen von Solarmodulen. Allein an den Randstreifen von Autobahnen und entlang unserer Schienenwege gibt es noch jede Menge Chancen für die Solarnutzung. Das Landesumweltamt sieht hier fast 60 Prozent des Freiflächenpotenzials in NRW. Das ist gewaltig.

Wie lange muss Öko-Strom noch subventioniert werden?

Remmel: Der Trend wird Richtung Eigenstromversorgung gehen. Wer heute eine Solaranlage auf sein Hausdach schraubt, bekommt eine garantierte Gutschrift für die Einspeisung seines Sonnenstroms ins Netz von rund 19 Cent pro Kilowattstunde. Die Kilowattstunde beim Energieversorger kostet für den Endverbraucher jedoch etwa 27 Cent. Wenn man Anschaffungskosten für eine Solaranlage von etwa 12 Cent pro Kilowattstunde zugrunde legt, ist leicht zu errechnen, dass sich die Eigenstromversorgung für Bürger und mittelständische Unternehmen bezahlt machen würde oder für Wohnungsgenossenschaften.

Öko-Energien verdrängen Kohlekraftwerke, die wir an Wind- und sonnenarmen Tagen brauchen. Droht ein Versorgungsengpass?

Remmel: Jeder weiß, dass wir auch künftig einen Energiemarkt für schwierige Zeiten brauchen, etwa für die wenigen wind- und sonnenarmen, aber kalten Wochen im Januar und Februar. Ich wünsche mir, dass dieser Reservemarkt ausgeschrieben wird und sich Unternehmen um die Bereitstellung solcher Kapazitäten bewerben können. Kraftwerke, die mit Steinkohle und Gas nur Strom erzeugen und keine Wärme produzieren, werden aber auf Dauer nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Bei Braunkohlekraftwerken hingegen sorgt der derzeit unschlagbar günstige Rohstoff dafür, dass sie sich noch eine Zeit lang rechnen können – allerdings zu einem umweltpolitisch hohen Preis.