Darmstadt. Sechs Wochen nach der schweren Niederlage bei der hessischen Landtagswahl hat die SPD eine neue Führungsspitze gewählt. Thorsten Schäfer-Gümbel löst Andrea Ypsilanti ab, die auf dem Parteitag in einem emotionalen Auftritt ihren Kurs verteidigte und ihre Rede unter Tränen beendete.

Sechs Wochen nach der schweren Niederlage bei der hessischen Landtagswahl hat die SPD eine neue Führungsspitze gewählt. Auf einem Landesparteitag am Samstag in Darmstadt wurde der Spitzenkandidat der Wahl, Thorsten Schäfer-Gümbel, mit 90 Prozent der Stimmen zum neuen Landesvorsitzenden gekürt. Er löst Andrea Ypsilanti ab, die auf dem Parteitag in einem emotionalen Auftritt ihren Kurs verteidigte.

Dieser Tag sei eine Zäsur nach einem schwierigen Jahr, sagte Schäfer-Gümbel in seiner Parteitagsrede. Das Ergebnis von 23,7 Prozent bei der Wahl am 18. Januar sei ein «herber Denkzettel» gewesen. Das habe richtig weh getan. Die Verantwortung dafür habe der hessische Landesverband der SPD und sonst niemand. Das klare Eingeständnis des Scheiterns müsse am Anfang des Neuanfangs stehen. Die SPD stehe vor einem langen Weg.

Mit "Selbstbeschäftigung" aufhören

Schäfer-Gümbel forderte seine Partei zugleich dazu auf, die «Selbstbeschäftigung» zu beenden. Die Parteibasis und die Bürger erwarteten von der SPD, dass sie endlich wieder Politik mache. Die Wirtschaftskrise sei auch eine Chance für die SPD, weil sie die Antworten dafür habe. Die Marktradikalen seien gescheitert, sagte Schäfer-Gümbel.

Der neue Landesvorsitzende, der zuvor bereits den Vorsitz der Landtagsfraktion von Ypsilanti übernommen hatte, erhielt auf dem Parteitag bei der Wahl zum Landesvorsitzenden 298 von 332 abgegebenen Stimmen. Zu seinen Stellvertretern wurden die bisherigen Amtsinhaber Gernot Grumbach und Manfred Schaub sowie erstmals die Hofheimer Bürgermeisterin Gisela Stang gewählt. Neuer Generalsekretär ist der Bundestagsabgeordnete Michael Roth.

Nach bestem Wissen und Gewissen

Ypsilanti verteidigte auf dem Parteitag ihren zwei Mal gescheiterten Versuch, eine von den Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden. Sie habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, sagte Ypsilanti. Mit ihrem Rückzug habe sie sich der Verantwortung mehr als heute üblich gestellt. Sie müsse sich aber nicht alles gefallen lassen. Sie sei auch in einer die persönliche Integrität verletzende Art und Weise angegriffen worden.

"Ich bleibe eine von euch», sagte Ypsilanti am Ende ihrer Rede unter Tränen. Fast alle Delegierten reagierten mit stehendem Applaus auf ihren Auftritt. Ypsilanti war nach der Niederlage der SPD bei den Neuwahlen Mitte Januar als Partei- und Fraktionsvorsitzende zurückgetreten. Nach der Wahl bildeten CDU und FDP eine Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU).

"Organisierte Gewissensentscheidung"

Ypsilanti griff in Darmstadt erneut scharf die SPD-Abgeordneten an, die sie wegen der geplanten Zusammenarbeit mit den Linken nicht zur Ministerpräsidentin wählen wollten. Sie müssten die Verantwortung für ihre die Partei in ein Debakel gestoßene Entscheidung tragen. Gewissensentscheidungen seien immer ganz persönlich, aber eine «organisierte Gewissensentscheidung» sei stets fragwürdig. Ohne eine entscheidungsfähige Partei lasse sich nichts mehr demokratisch durchsetzen, sagte sie mit Blick auf Parteitagsbeschlüsse, die grünes Licht für das geplante Linksbündnis gegeben hatten.

Auch Schäfer-Gümbel kritisierte die Abgeordneten um den früheren Parteivize Jürgen Walter. Gewissensentscheidungen könnten genauso falsch oder richtig sein wie jede andere Entscheidung, sagte Schäfer-Gümbel. Sicher sei aber, dass sich die Abgeordneten dem Dialog mit der Partei verweigert hätten. Die Minderheit habe die Mehrheit zu einem Kurs gezwungen. (afp)

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Ypsilanti unter Tränen: "Ich bleibe eine von euch"

Thorsten Schäfer-Gümbel ist neuer Vorsitzender der Hessen-SPD...
Thorsten Schäfer-Gümbel ist neuer Vorsitzender der Hessen-SPD... © ddp
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Für mehr Gesprächsstoff sorgte aber der emotionale Auftritt von Andrea Ypsilanti...
Für mehr Gesprächsstoff sorgte aber der emotionale Auftritt von Andrea Ypsilanti... © ddp
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Schäfer-Gümbel versucht zu trösten...
Schäfer-Gümbel versucht zu trösten... © ddp
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Die Parteikollegen applaudieren.
Die Parteikollegen applaudieren. © ddp
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