Brüssel. Die erst vor kurzem verabschiedete 3. EU-Führerscheinrichtlinie scheint nicht zu greifen. Noch immer besorgen sich zahlreiche Verkehrssünder einen illegalen Führerschein in den deutschen Nachbarländern. Das Geschäft mit dem "Führerschein-Tourismus" blüht weiter.

Sie werden mit einer „Fahne“ am Steuer erwischt, verlieren die Fahrerlaubnis – und fahren trotzdem munter weiter auf Deutschlands Straßen: mit neuen Führerscheinen aus Tschechien und Polen. Mit der 3. EU-Führerschein-Richtlinie sollte sich das Ärgernis „Führerschein-Tourismus“ eigentlich für immer erledigt haben. Die Wirklichkeit sieht anders: Das schmuddelige Geschäft blüht lebhaft weiter.

Deshalb schlägt der ADAC nun Alarm: Solche „Führerscheine“ seien in Deutschlands nichts wert. „Wer ihn hat, begeht eine Straftat und kann sogar in den Bau gehen“, warnt ADAC-Verkehrsjurist Markus Schäpe.

Deckung durch die Ministerien

Die Neuregelung ist seit dem 19. Januar 2009 in Kraft. Bis dahin war es noch möglich, mit einem tschechischen Führerschein in Deutschland zu fahren, vorausgesetzt man konnte nachweisen, dass der Lebens-Mittelpunkt im Nachbarland war. Meistens wurden dafür Meldebescheinigungen oder Arbeitsnachweise gefälscht. Nach Erkenntnissen des ADAC geschah dies in den allermeisten Fällen mit Wissen der örtlichen Behörden, ja sogar mit Deckung durch die Ministerien. „Die Masche funktioniert nur, weil Betrüger am Werke sind“, so ein Sprecher.

Was vor allem Deutsche zum umstrittenen Führerschein-Tourismus veranlasst, ist die „Medizinisch Psychologische Untersuchung“ (MPU), im Volksmund Idiotentest - eine typisch deutsche Besonderheit. Denn von einer ähnlichen Regelung in Österreich abgesehen kennt kein einziges EU-Land derartige „Gesundheitstests“.

Kein Randproblem

Schätzungsweise 10.000 bis 20.000 Deutsche, die hart an der Flasche waren und sich durch (wiederholte) Trunkenfahrten ins Verderben gestürzt haben, erachten diese illegal erworbenen Führerscheine tschechischer, polnischer, ungarischer oder niederländischer Provenienz als allerletzten Strohhalm. Zwischen 850 und 5000 Euro müssen sie dafür hinblättern. „Wir haben es hier wirklich nicht mit einem Randproblem zu tun“, sagt der ADAC-Jurist.

Eigentlich müssten die windigen deutschen „Vermittler“ ihr fragwürdiges Handwerk seit dem 19. Januar eingestellt haben. Doch wer mit den einschlägigen Stichworten „googelt“, findet nach wie vor Dutzende Anbieter im Internet. Der Trick: Entweder werden die Führerscheine kurzerhand zurückdatiert (etwa auf den 18. Januar). Oder man lockt mit einem tschechischen „Idiotentest“. Wer sich allerdings auf solche falschen Versprechungen einlässt, wirft sein Geld nach ADAC-Angaben praktisch aus dem Fenster. Schäpe: „Eine tschechische MPU gibt’s überhaupt nicht, sie ist soviel wert wie eine kenianische - nämlich gar nichts.“

Während Alkoholsünder in Deutschland schlimmstenfalls den Rest des Lebens ohne Fahrerlaubnis auskommen müssen, kennt Nachbarland Frankreich maximal eine „Fünf-Jahres-Strafe“. Danach gibt’s den Führerschein garantiert wieder zurück. Eine Lockerung oder gar Abschaffung der MPU in Deutschland lehnt ADAC-Jurist Markus Schäpe hingegen kategorisch ab: „Wer durchfällt, hat sich nicht ernsthaft mit dem Alkoholproblem befasst, sondern sich in die eigene Tasche gelogen.“ Sein Credo: Die MPU schaffen ist kein Hexenstück.

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