Er ist ein gestandener Geheimdienstmann. Doch schon wieder muss August Hanning der Öffentlichkeit stundenlang Rede und Antwort stehen. Der frühere Staatssekretär im Bundesinnenministerium verteidigte am Freitag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss die Abschaffung der eigenständigen Abteilung Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2006.

Berlin (dapd). Er ist ein gestandener Geheimdienstmann. Doch schon wieder muss August Hanning der Öffentlichkeit stundenlang Rede und Antwort stehen. Der frühere Staatssekretär im Bundesinnenministerium verteidigte am Freitag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss die Abschaffung der eigenständigen Abteilung Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2006. "Damals war die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus größer", rechtfertigte sich Hanning. Die Ausschussmitglieder wollten das nicht gelten lassen und warfen ihm "Verharmlosung des Rechtsextremismus" vor.

Hanning war von 2005 bis 2009 Staatssekretär im Bundesinnenministerium und zuvor seit 1998 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). In diese Zeit fiel auch teilweise die umstrittene Bespitzelung von Journalisten durch den Auslandsgeheimdienst. Hannings Rolle dabei konnte auch nach der Befassung des Parlamentarischen Kontrollgremiums mit dem Fall nicht vollständig geklärt werden.

Es war nicht Hannings letzter großer Auftritt im Bundestag. Auch im BND-Untersuchungsausschuss, der sich unter anderem mit der Misshandlung des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz befasste, war Hanning 2006 eine wichtige Figur. Und jetzt schon wieder: Der aktuell tagende Untersuchungsausschuss in Berlin befragte Hanning am Freitag zu Pannen und Fehlgriffen bei den Ermittlungen zu der NSU-Mordserie.

Der Ausschuss arbeitet seit Jahresbeginn die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) auf. Die Terroristen-Gruppe lebte mehr als ein Jahrzehnt unentdeckt von den Sicherheitsbehörden im Untergrund und wird bundesweit für zehn Morde verantwortlich gemacht.

"Verharmlosung des Rechtsextremismus"

Der Obmann der CDU, Clemens Binninger, kritisierte, die Sicherheitsbehörden hätten über Jahre hinweg die Existenz rechtsterroristischer Strukturen bestritten. Hanning räumte Defizite ein: "Es wurden Fehler gemacht". Die Behörden hätten das Phänomen des Einzeltäters lange unterschätzt und sich zu sehr auf größere Strukturen konzentriert. Auch die Gefahr durch radikale Rechtsextreme sei nicht erkannt worden. Grundsätzlich habe sich die deutsche Sicherheitsstruktur aber bewährt.

Die Abschaffung der eigenständigen Abteilung Rechtsextremismus stieß im Ausschuss auf scharfe Kritik. Die Obfrau der SPD, Eva Högl, bezeichnete den Schritt als "Verharmlosung des Rechtsextremismus". Auch die Linke-Obfrau Petra Pau kritisierte: "Sachgerecht war das ganz bestimmt nicht." Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD) bemängelte, nach der Fusion habe 20 Prozent weniger Personal für die Bekämpfung des Rechtsextremismus zur Verfügung gestanden.

Fußball-WM wichtiger als Bekämpfung von Rechtsextremismus

Hanning gestand ein, die eigenständige Abteilung Rechtsextremismus zu erhalten "wäre besser gewesen". Die Fusion mit der Abteilung Linksextremismus sei aber dem damaligen Spardruck geschuldet gewesen, der eine Priorisierung erfordert habe. Wolfgang Wieland von den Grünen rügte, Hanning habe "gar nichts geregelt" und "Sachen treiben lassen". Die Bekämpfung des Rechtsextremismus sei ihm nicht so wichtig, wie der islamistische Terrorismus und "die Fußball Weltmeisterschaft", die im gleichen Jahr stattgefunden habe.

Befragt wurde Hanning auch zu dem 2006 gescheiterten Vorstoß des Bundeskriminalamts (BKA), die auf mehrere Länder verteilten Ermittlungen beim BKA zu konzentrieren. Hanning zufolge ist das Thema gründlich erörtert worden. Wegen des Widerstands der Länder, "besonders von Bayern", sei es aber nicht sinnvoll gewesen. Zudem ist Hanning nicht sicher, ob das BKA "es besser gemacht hätte". Schließlich seien damals auch dort Ressourcen "sehr begrenzt und beschränkt" gewesen.

dapd